Wolfsburg

Raus aus der Krise, rein in die Krise

dpa
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30. Januar 2018
Blick auf das Volkswagen-Werk in Wolfsburg. Der Konzern schlittert in die nächste Krise.

Blick auf das Volkswagen-Werk in Wolfsburg. Der Konzern schlittert in die nächste Krise. ©dpa - Julian Stratenschulte

Wie sich die Bilder gleichen: Immer wieder schien Volkswagen die Abgasaffäre hinter sich zu lassen und unter Volldampf aus der Krise zu fahren.

VW-Markenchef Herbert Diess sah den Autobauer schon in der Offensive - sein Ziel: VW zum weltweit führenden Volumenhersteller zu machen. Doch immer neue Bremsklötze lagen im Weg, neue, teils fast unglaubliche Details wurden bekannt - und machten es schwer, an den vielzitierten Kulturwandel zu glauben.

«Immer wieder müssen wir erleben, dass die Krise bei Volkswagen noch nicht ausgestanden ist», sagte denn auch Konzernchef Matthias Müller nach Bekanntwerden von Abgastests an Affen. Und er weiß: «Es liegt noch ein langer Weg vor uns, Vertrauen wiederzugewinnen.» Ist es Salamitaktik oder einfach Pech, dass nach und nach immer mehr Details ans Licht kommen? Die größten Aufreger rund um die Autobranche:

«DIESELGATE»: Es war ein bis dahin unvorstellbarer Absturz für Volkswagen - und wie sich später zeigen sollte: für die gesamte erfolgsverwöhnte Autobranche. Mit gefälschten Stickoxid-Werten bei Millionen von Autos des VW-Konzerns fing es an. Bei der Aufarbeitung ist Volkswagen vorangekommen - mit Milliarden-Entschädigungen für die Verbraucher in den USA und beim Rückruf betroffener Modelle. In Amerika wurden sogar Ex-Manager wegen Verstößen gegen Umweltgesetze verurteilt. Klagen von Aktionären und Betrugsermittlungen in Deutschland sind aber noch nicht ausgestanden.

Doch geht es nicht um VW allein: Hinweise auf Software, die die Abgasreinigung auf der Straße herunterfährt oder abschaltet, brachten auch andere Hersteller in den Verdacht der Manipulation. Die Verkaufszahlen für Diesel-Modelle sinken seit Monaten. Allerdings brachte die Abgasaffäre auch eine Wende, nämlich hin zum Elektroauto. Dennoch: Mehr als 25 Milliarden Euro kostete VW die Beilegung des Skandals in den USA.

IMMER NEUE RÜCKRUFE: Kaum schien sich die Lage etwas beruhigt zu haben, mussten in schöner Regelmäßigkeit weitere Modelle in der Abgasaffäre zurückgerufen werden. Zuletzt traf es die VW-Tochter Audi: Fast 130 000 weitere Dieselmodelle muss der Autobauer in die Werkstätten zurückholen und umrüsten. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verhängte nämlich für V6-Diesel von Audi einen Zwangsrückruf. Demnach habe die Behörde in den Modellen A4, A5, A6, A7, A8, Q5, SQ5 und Q7 mit der Abgasnorm 6 «unzulässige Abschaltvorrichtungen» festgestellt. Damit nicht genug: Das KBA droht Audi für das A8-Modell, das bis Mitte 2017 produziert wurde, mit einem Zulassungsverbot. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer nannte dies «mehr als peinlich».

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KARTELLVERDACHT: Als wäre der Abgasskandal nicht schon schlimm genug, tat sich im vergangenen Sommer für die Autobranche eine neue Baustelle auf: Die EU-Kommission prüft jahrelange Geheimabsprachen in der Autoindustrie - und damit den Verdacht der Kartellbildung. BMW, Daimler und VW samt der Töchter Audi und Porsche sollen Informationen über Modelle, Kosten und Zulieferer ausgetauscht haben, möglicherweise zulasten des Wettbewerbs und der Verbraucher. Noch laufen die Ermittlungen, auch die Abgrenzung von zulässigen Absprachen ist nicht klar. Die Konzerne sehen kein Fehlverhalten.

TIERVERSUCHE UND LOBBYISMUS: Das bis jetzt neueste Kapitel im «Dieselgate»-Skandal zeigt erstaunliche Bilder: Mehrere zu Versuchsobjekten degradierte Affen kauern in einem Testlabor im US-Wüstenstaat New Mexico und atmen stundenlang Abgase eines VW-Beetle ein, während ihnen Zeichentrickfilme gezeigt werden. Volkswagen entschuldigte sich für «das Fehlverhalten und die Fehleinschätzung Einzelner». Die Tests der EUGT (Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor) - einer von VW, Daimler und BMW finanzierten Lobby-Initiative - waren Teil einer Studie, die zeigen sollte, dass die Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen hat.

In dem Zusammenhang kam der Verdacht auf, dass es Schadstofftests mit Menschen gegeben haben soll. Der zuständige Institutsleiter Thomas Kraus von der Universität Aachen wies dies zurück: eine entsprechende Studie befasse sich nicht mit der Dieselbelastung von Menschen. Volkswagen zog erste personelle Konsequenzen und beurlaubte den bisherigen Cheflobbyisten Thomas Steg.

Ohnehin ist Lobbyismus in der Autobranche nicht neu. Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland mahnte, nicht nur die Nähe zwischen Politik und Autoindustrie gebe Anlass zur Sorge, auch die Unabhängigkeit der Wissenschaft sei gefährdet. Transparency-Deutschland-Vize Hartmut Bäumer sagte, eine Verurteilung der ethisch fragwürdigen Versuche an Tieren und Menschen reiche nicht: «Die Bundesregierung ist nun gefordert, dass der Lobbyismus besser geregelt und Unternehmen bei Fehlverhalten härter bestraft werden.» Doch Lobbyismus für die Autobranche findet auf höchster Ebene statt - so hatte die Bundesregierung etwa dafür gesorgt, dass die CO2-Grenwerte der EU für Neuwagen aufgeweicht wurden.

UND JETZT? Autofachmann Dudenhöffer betonte, angesichts der Vielzahl von Tierversuchen in Deutschland finde er die öffentliche Wut «etwas übersteigert». Sein Kollege Stefan Bratzel aber mahnte: «Die Fehler der Vergangenheit wiegen sehr schwer.» Sie zögen die Glaubwürdigkeit und das Image des Autobauers immer stärker in Mitleidenschaft. Die Frage sei, ob die Weichen gestellt und der Kulturwandel wirklich eingeleitet seien. «Es gibt positive Anzeichen», erklärte Bratzel - und verwies auf Forderungen von VW-Chef Müller nach Auslaufen der Dieselsubventionen. Für Frust sorge, dass immer nur so viel zugegeben werde, wie man zuvor von außen herausfinde: «Es sieht aus wie ein Schrecken ohne Ende.»

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