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Sexismus – oder doch ein Kompliment?

Antonia Höft
Lesezeit 4 Minuten
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28. Januar 2017
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(Bild 1/4) ©Martin Erl

Eine zu lange Berührung, ein Witz oder einfach ungerechte Arbeitsverteilung aufgrund des Geschlechts: Sexismus am Arbeitsplatz hat sich gewandelt. Und die Experten sind sich einig: Es gibt eine klare Grenze zwischen Sexismus und Flirt.

Frauen. Sie haben sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickeln und ihren Horizont über den des Küchenfensters längst erweitern dürfen. Sie machen weit mehr, als nur Kinder zu gebären: Sie werden Kanzlerinnen, Bürgermeisterinnen, Polizeichefinnen und sind in vielen Berufsfeldern und Vereinen vertreten, in denen jahrzehntelang meist Männer dominierten – und es heute noch immer tun. 

Bei sexuellen Belästigungen, seien sie verbal oder physisch, sind Frauen jedoch oft die Opfer, wie eine repräsentative Umfrage von 2015 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt: Darin hat auch mehr als die Hälfte aller Beschäftigten, männlich und weiblich, in Deutschland sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz schon einmal erlebt oder beobachtet.

Und doch wissen 80 Prozent nicht, welche Rechte ihnen zustehen, wenn sie zu Opfern werden. Was Sexismus am Arbeitsplatz bedeutet, ist für Männer und Frauen aber nicht immer dasselbe (siehe Grafik von 2015). 

Leistungsfähigkeit beeinträchtigt

»Sexismus am Arbeitsplatz ist natürlich schwerwiegend, zum einen, weil man ihm nicht so leicht entkommen kann, zum anderen, weil er das Wohlbefinden und auch die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz negativ beeinträchtigt«, ist sich Psychologin Julia Becker aus Osnabrück im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse sicher. Sie befasst sich seit Jahren mit dem Thema und versucht, Modelle zu entwickeln, um sexistische Verhaltensweisen vorherzusagen. 

Und dabei stellt sie eines fest: Sexismus ist nicht immer plump. Moderner Sexismus ist die Leugnung derzeitiger Diskriminierung – so wie etwa: Frauen haben inzwischen die gleichen Chancen wie Männer, wir haben doch eine Bundeskanzlerin.

Eine weitere Form von Sexismus am Arbeitsplatz ist laut Becker benevolenter (wohlwollender) Sexismus. »Wenn ein Mann einer Frau beispielsweise anbietet, eine Aufgabe zu übernehmen, damit sie sich als Frau damit nicht herumschlagen muss«,  so ein Beispiel der Psychologin. Es ist zwar nett, bei wohlwollendem Sexismus gehe es aber immer mit der Absprache an Kompetenz einher.

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Und obwohl die Statistiken für die Frauen sprechen und den Sexismus den Männern zuschreiben, verneint Becker keineswegs sexistische Einstellungen, die Frauen teilen. »Das zeigte sich Ende des Jahres bei Frauen in der CDU, die Partei ergriffen für ihren männlichen Kollegen. Das gab es auch im Fall Brüderle, als sich FDP Frauen hinter ihn gestellt haben«, zählt sie auf.

»Es wird schnell gedacht: Frauen können keine sexistische Einstellungen haben, da das ja gegen ihre eigenen Interessen gehen würde. Das ist aber nicht der Fall, da gerade konservative Frauen oft Antifeminismus fördern.«

Nicht jeder ein Chauvinist

Nicht jeder Mann sollte also gleich als Chauvinist bezeichnet werden – nur weil er einen anrüchigen Witz macht. Lachen sollte mal allerdings wirklich nur, wenn er einen nicht kränkt. Dennoch sei hin und wieder eine schmale Gradwanderung zwischen sexistischen Kommentar und einem verstecktem Kompliment – so sehen es zumindest meist die Männer. Sie fühlen sich missverstanden und behaupten oftmals »Das ist doch nicht so schlimm« – der Stempel »Chauvinist« wurde ihnen einfach so aufgedrückt.  Doch ist ein sexistischer Spruch oder eine Geste einfach als Kompliment untergegangen? 

Schmale Gradwanderung

»Die sogenannten Herrenwitze sind meist sexistisch, das finden auch viele Herren. Von daher sollte keiner diese aushalten«, ist die Psychologin überzeugt. 
Dass die Grenze nicht so einfach zu bestimmen sei, wie manche behaupten, sei für Sozialpsychologe Rolf Pohl eine Ausrede. Das schließe eine sexuelle Anspielung der Geschlechter beim Herantasten nicht aus. Trotzdem gebe es eine Grenze. »Sobald es zu Machtdemonstrationen kommt und die Würde verletzt wird, ist das Spiel vorbei.« 

Für Pohl ist Sexismus tief in der Gesellschaft verankert: Ungleiche Bezahlung und Arbeit, die Luft, die in Führungspositionen für Frauen immer dünner zu scheinen mag, oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die weitherhin stärker den Frauen angelastet wird. »Nur weil es Gender-Mainstreaming gibt, ist das Thema Sexismus nach wie vor präsent – das muss sich ändern.« 

Stichwort

Sexismus

Psycholgin Julia Becker (38): »Sexismus ist eine negative Einstellung oder negative Verhaltensweise gegenüber einer Person aufgrund seines/ihres Geschlechts, oder eine Person aufgrund ihres Geschlechts zu benachteiligen. Die neueren Sexismusdefinitionen nehmen zudem den Aspekt auf, dass Sexismus auch solche Verhaltensweisen darstellt, die beitragen, den ungleichen Status von Frauen und Männern aufrechtzuerhalten.« 

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