Genf

Neue Jagd auf Urknall-Geheimnisse

dpa
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
14. Juni 2018
Völlig neu entwickelte Kabel liegen in einer Werkstatt der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern).

Völlig neu entwickelte Kabel liegen in einer Werkstatt der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern). ©dpa - Christiane Oelrich

Bei der schon jetzt größten Forschungsanlage der Welt sind bald wieder Bagger und Bohrmaschinen am Werk: Der Teilchenbeschleuniger LHC der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) wird «frisiert» und auf neue Höchstleistung getrimmt.

An dem 27 Kilometer langen ringförmigen Tunnel 100 Meter unter der Erde müssen deshalb neue Tunnelstücke angebaut werden. Der Startschuss für das HiLumi LHC-Projekt - von «High Luminosity» - etwa: «hohe Leistungsfähigkeit» fällt am 15. Juni im schweizerisch-französischen Grenzgebiet bei Genf. Dazu kommen weitere Ausbauprojekte. Gesamtinvestitionen: fast eine Milliarde Euro.

Alles dreht sich beim Cern um die Kollisionen, die die Physiker erzeugen, wenn sie Protonen in entgegengesetzter Richtung durch den 27 Kilometer langen Tunnel schießen. Unterwegs sind in der Röhre Trillionen von Protonen, von denen jeder einzelne pro Sekunde 11 000 Runden dreht. Die Forscher bringen sie an bestimmten Stellen zur Kollision und simulieren damit die ersten Nanosekunden nach dem Urknall. Sie wollen unbekannte Elementarteilchen aufspüren, um bislang ungelöste Geheimnisse des Universums zu erklären.

Der Beschleuniger schafft heute eine Milliarde Protonenkollisionen in der Sekunde. Aber das reicht den Physikern nicht. Sie wollen mindestens fünf Milliarden Kollisionen erreichen. Dafür sollen zum einen mehr Protonen zirkulieren, und der Zusammenstoß soll künftig auf acht statt 16 Mikrometer fokussiert werden, um die Chance von Kollisionen zu erhöhen. Acht Mikrometer entspricht 0,008 Millimeter.

Der Beschleuniger soll 2025 viel leistungsstärkere Magneten haben und es sollen mehr Protonen auf Kollisionskurs gebracht werden. Dafür muss nun gebohrt und getunnelt werden. Oliver Brüning ist Vize-Projektleiter und sagt: «Es ist wie bei einer Hausrenovierung. Man baut eine neue Heizung ein, die effizienter ist, aber um mehr zu heizen braucht man mehr Holz, und entsprechend größere Keller.»

- Anzeige -

Nur sind die Herausforderungen am Cern eine Nummer größer: die Physiker, die mit dem Beschleuniger in noch unbekannte Materie vorstoßen wollen, haben so ehrgeizige Pläne, das vieles von dem nötigen Material für die Bauteile erst entwickelt werden muss. Die Halle in Prévessin in französisch-schweizerischen Grenzgebiet, in der viele Vorbereitungsarbeiten für den Ausbau des LHC laufen, gleicht einer ganz normalen Werkstatt. Es gibt riesige Kabelspulen, Schläuche, Metallzylinder, Werkbänke, Pressen, Schrauben und Mutternschlüssel in allen Größen. An den Wänden hängen Baupläne. Mitarbeiter schrauben, messen, probieren, justieren. Die neuen Kabel und Magneten müssen deutlich leistungsfähiger sein als bislang.

Weil die Magnete stärkere Magnetfelder erzeugen sollen, mussten die Cern-Spezialisten erst Kabel entwickeln, die das aushalten können. Auch für den Stromtransport von der Steckdose zu den Magneten schufen sie Kabel aus neuen Materialen, in diesem Fall Magnesiumdiborid, einem selbst bei hohen Temperaturen superleitenden Material. Damit kann der Energieverbrauch für den Betrieb der Magnete gedrosselt werden. «Das ist auch für die Industrie interessant», sagt Brüning.

Viele Cern-Erfindungen sind heute Allgemeingut, als Komponenten in Handys, bei diagnostischen Prozessen wie der Computertomografie, in der Halbleiterproduktion und bei der Tumorbehandlung. Und natürlich «die Mutter aller Erfindungen»: das am Cern entwickelte World Wide Web, das Internet. Als staatlich finanzierte Organisation stellt das Cern der Gesellschaft Entwicklungen ohne Patent zur Verfügung.

Die neuen Tunnel in 100 Metern Tiefe können nur gebohrt werden, wenn der Beschleuniger still steht. Die Vibrationen der Bohrmaschinen würden die sensiblen Instrumente stören. Deshalb beginnen die Bauarbeiten jetzt schon mal an der Erdoberfläche, denn der Beschleuniger wird im Dezember für eine zweijährige Routine-Wartung abgeschaltet. 2021 startet er noch mal im «alten» Modus. Ab 2025 sollen alle neuen Kabel, Magneten und Messinstrumente installiert sein, damit der Super-Beschleuniger dann an den Start gehen kann.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".