Nachrichten

Politologe zu Chemnitz: Das kann überall passieren

dpa
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
29. August 2018
Mehr zum Thema

Demonstranten der rechten Szene zünden Pyrotechnik und schwenken Deutschlandfahnen in Chemnitz. ©dpa

Die Ausschreitungen in Chemnitz können nach Ansicht von Politologen auch andernorts passieren. Die Fachleute sehen die Politik in der Pflicht. Und die diskutiert erst einmal heftig – auch im Südwesten.

Nach den Ausschreitungen in Chemnitz diskutieren Politik und Experten über Ursachen und Folgen. Die Mobilisierung von Rechtsextremen über das Internet funktioniert bundesweit - und könnte damit nach Ansicht von Fachleuten auch in anderen Teilen der Republik zu Demonstrationen wie in Chemnitz führen. «Man kann das - leider - nicht ausschließen», sagte der Politologe Felix Steinbrenner von der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg am Mittwoch. AfD-Bundeschef Jörg Meuthen wies eine Mitschuld seiner Partei an den Ausschreitungen zurück.

Die Verantwortung der AfD liege bei «exakt null», sagte Meuthen am Mittwoch dem SWR. Die AfD schüre keine fremdenfeindliche Stimmung in Chemnitz. «Wir gießen da nicht Öl ins Feuer, sondern da ist eine finstere Stimmung im Land, die nur zu begründet ist.» Am Montagabend wurden bei Protesten rechter und linker Demonstranten nach Angaben der Polizei in Chemnitz 20 Menschen verletzt. Auslöser war, dass zuvor ein 35 Jahre alter Deutscher durch Messerstiche getötet worden war. Die mutmaßlichen Täter sollen aus Syrien und dem Irak stammen.

Gleitet AfD-Fraktion im Landtag nach rechts ab?

FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke sieht bei der AfD eine zunehmende Radikalisierung. «Die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag gleitet immer mehr nach rechts ab. Mittlerweile erkenne ich keinen Unterschied mehr zur NPD», sagte er der «Heilbronner Stimme» (Donnerstag). Die AfD-Abgeordneten Stefan Räpple und Hans Peter Stauch hatten auf Twitter Fotos von sich bei den Protesten am Montag in Chemnitz veröffentlicht.

Grünen-Innenexperte Uli Sckerl (Grüne) will das Thema im parlamentarischen Kontrollgremium des Landtags für die Geheimdienste behandeln. «Wir wollen unbedingt wissen, ob diese Abgeordneten tatsächlich mit einem Mob von Neonazis durch Chemnitz gezogen sind, aus dem heraus unter anderem Jagd auf Ausländer gemacht wurde», sagte er dem Zeitungen «Heilbronner Stimme» und «Mannheimer Morgen» (Donnerstag). Die Beteiligung der beiden AfD-Abgeordneten an der Demonstration in Chemnitz solle auch in der Sitzung des Landtagspräsidiums am 18. September besprochen werden.

- Anzeige -

»Rechtsextremismus in Sachsen normaler«

Steinbrenner meinte, in Sachsen sei das Problem, dass Neonazismus und rechtsextreme Parteien viel tiefer verankert seien als in Baden-Württemberg. «Rechtsextremismus ist dort normaler als hier - er wird oft gar nicht mehr als rechtsextrem erkannt, sondern als legitimer Teil der politischen Diskussion wahrgenommen.» Um dem entgegenzuwirken, brauche es große Entschiedenheit und viel Geduld. Ansatzpunkte seien Bildungsangebote für Jugendliche in Schulen, die Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement und Repressionen für Menschen, die Gewalttaten begehen.

Unterdessen will die Türkische Gemeinde in Baden-Württemberg ein breites Bündnis gegen Hass ins Leben rufen. Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Gewerkschaften und Migrantenorganisationen sollten sich an der Kampagne beteiligen, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. «Chemnitz betrifft uns alle. Das ist nicht nur ein sächsisches Problem.» Noch in dieser Woche werde die Organisation Bündnispartner anschreiben. Er hoffe, dass es bereits am 1. September, dem Weltfriedenstag, eine Aktion geben könne, sagte Sofuoglu, der Vorsitzender in Baden-Württemberg und auch der Türkischen Gemeinde in Deutschland ist. Details müssten aber noch geklärt werden.

Linksradikale sollen AfD-Veranstaltungen stören

Der Vize-Fraktionschef der AfD im Landtag, Emil Sänze, warf der grün-schwarzen Landesregierung und den anderen Parteien vor, zu wenig gegen Extremismus von links zu tun. AfD-Veranstaltungen würden regelmäßig von organisierten Linksradikalen blockiert und teils gewaltsam gestört. Dennoch weigerten sich die anderen Fraktionen im Landtag, einen Untersuchungsausschuss Linksextremismus einzusetzen. Mit diesem Vorhaben war die AfD mehrmals gescheitert.

Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".
  • Sie ebnen den Mitarbeitern im Hausacher Unternehmen den Weg zur erfolgreichen Karriere (von links): Linda Siedler (Personal und Controlling), Patrick Müller (Teamleiter Personal), Arthur Mraniov (Pressenführer Schmiede) und Heiko Schnaitter (Leiter Schmiede und Materialzerkleinerung).
    09.04.2024
    Personal entwickelt sich mit ökologischer Transformation
    Als familiengeführtes Unternehmen baut die Richard Neumayer GmbH auf Transparenz, kurze Wege und Nähe zu den Mitarbeitern. Viele Produkthelfer und Quereinsteiger haben es auf diese Weise in verantwortungsvolle Positionen geschafft.