Hunderte Städte fordern Umsetzung

Stuttgart erläutert Tempo-Versuch in großer Runde

Judith A. Sägesser
Lesezeit 3 Minuten
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03. Februar 2023
Tempo 30 auf der inneren Ulmer Straße: Diese Geschwindigkeit gilt laut Stadt auf 70 Prozent der Straßen in Stuttgart.

Tempo 30 auf der inneren Ulmer Straße: Diese Geschwindigkeit gilt laut Stadt auf 70 Prozent der Straßen in Stuttgart. ©Foto: Mathias Kuhn

429 Kommunen fordern von Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) mehr Freiheit bei Tempo 30. Stuttgart war anfangs zögerlich, nun hat die Stadt bei einer gut besuchten Online-Konferenz von den Erfahrungen mit Tempo 40 berichten.

Es war eine beachtliche Runde mit 500 Teilnehmern in der Spitze. Zweieinhalb Stunden haben sich Vertreter von Kommunen und Verkehrsinteressierte jüngst online zusammengeschaltet. Auch Stuttgart war dabei. Es war ein Treffen der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“, ein Bündnis, das sich im Sommer 2021 gegründet hatte. Sieben Kommunen, davon zwei aus Baden-Württemberg, forderten mehr Beinfreiheit bei der Verkehrsplanung, vor allem mit Blick auf Tempo 30. Aus sieben Mitgliedern sind inzwischen 429 geworden (Stand 3. Februar). Allein im Januar ist das Bündnis um 51 gewachsen.

Stuttgarts OB Frank Nopper tat sich von Anfang an schwer mit dem Begehr der Initiative. Obschon die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, den Kommunen mehr Spielräume zu geben. Dass Stuttgart Ende März 2022 doch beigetreten ist, liegt daran, dass Nopper vom Gemeinderat überstimmt worden ist. Eine Sorge des OB: die Schwächung des Wirtschaftsstandorts Stuttgart.

Tempo 30 muss nicht zu zähem Verkehr führen

Auf die Frage, wie Tempo 30 und Wirtschaftskraft zusammenhängen, gab Bürgermeister Clemens Maier im Vorfeld des Treffens Auskunft. Die Leute müssten „gut zu ihrem Arbeitsplatz kommen“, sagte er. Der Verkehr müsse flüssig bleiben, „auch Lieferketten müssen funktionieren“. Ein bisschen Sorge hatte und hat man in der Verwaltung offenbar zudem vor flächendeckendem Tempo 30. „Eine pauschale Tempo-30-Lösung wäre nicht hilfreich“, sagte er.

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Womöglich ein Missverständnis? Denn die Mitglieder betonen immer wieder, dass sie Städte nicht komplett in Tempo-30-Zonen umwandeln wollen. Aber eben an Stellen, an denen es Sinn ergibt. Bei der Vernetzungskonferenz der Initiative wurde deutlich, dass Tempo 30 nicht zu zähem Verkehr führen muss. Stau entstehe an Ampel-Kreuzungen. Untersuchungen haben ergeben, dass bei Tempo 30 und bei 50 dieselbe Anzahl an Autos eine Kreuzung in einer Ampelphase passiere. Der Grund: geringere Abstände zwischen den Fahrzeugen bei niedriger Geschwindigkeit.

Tempo 40 auf der Hohenheimer Straße

Susanne Scherz vom Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Stuttgart war eine derjenigen, die Verkehrsversuche mit veränderten Geschwindigkeiten vor den Hunderten Zuhörern vortragen durften. Sie berichtete von den Erfahrungen mit Tempo 40 in der Stadt. Begonnen habe man damit 2012 an einer Steigungsstrecke, der Hohenheimer Straße, so Scherz. Die Temporeduzierung habe den Verkehr harmonisiert und die Luftqualität verbessert. Inzwischen gelte Tempo 40 auf etwa 100 Kilometern der Hauptverkehrsstraßen. „Die Erfahrungen sind vergleichsweise positiv“, sagte sie.

Doch zurück zu Tempo 30 – das laut Stadt übrigens bereits auf 70 Prozent der Straßen in Stuttgart gelte. Die Initiative, die vom Zustrom selbst überrascht ist, hat das Zusammentreffen auch genutzt, um Pläne zu schmieden. Bekannt sei das Anliegen bereits, da war man sich einig, doch zum Bundesverkehrsministerium dringen die 429 Kommunen trotzdem nicht durch, Koalitionsvertrag hin oder her. Frauke Burgdorf, Stadtbaurätin in Aachen, sprach von einer „müden Abwehr“.

Wie also weiter? Abgesehen von Gesprächen mit Berliner Abgeordneten, die hinter den Kulissen liefen, soll die Europäische Mobilitätswoche genutzt werden, die Straßen als Lebensräume zu erobern und die Initiative, die inzwischen ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands repräsentiert, weiter zu stärken.

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