Wegen DSGVO

Verstoßen Namen an Klingelschildern gegen den Datenschutz?

dpa
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18. Oktober 2018
In Wien verlieren rund 220.000 Mieter wegen der EU-Datenschutzgrundverordnung jetzt die Namensschilder an ihren Türklingeln.

In Wien verlieren rund 220.000 Mieter wegen der EU-Datenschutzgrundverordnung jetzt die Namensschilder an ihren Türklingeln. ©dpa - Ole Spata

Kuriose Auswüchse der neuen DSGVO? Das Namensschild an der Türklingel könnte plötzlich die Privatsphäre des Mieters verletzen. Datenschützer halten das für unsinnig. Eigentümer-Verbände fordern Klarheit vom Gesetzgeber.

Verstößt das Klingelschild eines Mieters an der Haustür gegen die Datenschutzgrundverordnung? Über diese Frage ist ein heftiger Streit entbrannt. Der Immobilien-Eigentümerverband Haus&Grund empfiehlt aktuell seinen Mitgliedern, vorsorglich die Namensschilder zu entfernen. Nur so könne sichergestellt sein, dass die Privatsphäre der Mieter gewährleistet und Bußgelder in Millionen-Höhe für den Vermieter vermieden würden, zitiert die »Bild«-Zeitung« Verbands-Präsident Kai Warnecke.

Ohne explizite Einwilligung der Mieter seien die Namen an den Klingelschildern»möglicherweise unzulässig«, schreibt der Verband in einer aktuellen Mitteilung. »Es darf nicht sein, dass Vermietern hohe Bußgelder drohen, nur weil sie die Namen ihrer Mieter an den Klingelschildern anbringen«, sagte Warnecke.

Klingelschilder abschrauben?

Müssen Mieter jetzt also ihre Klingelschilder abschrauben? Datenschützer halten das für übertrieben. »Wir halten die DSGVO hier nicht für anwendbar, da es sich um keine automatisierte Datenerfassung handelt«, sagte die Sprecherin der Berliner Datenschutzbeauftragten Jana Schönefeld der dpa. Das Regelwerk greife nur bei automatisierten Datenverarbeitungen und Dateien.

»Offensichtlich geht es hier einmal mehr darum, die Menschen mit derartigen Absurditäten zu verunsichern und substanzlos gegen die neue EU-Datenschutzgrundverordnung zu wettern«, schätzt der netzpolitische Sprecher der Grünen-Faktion, Konstantin von Notz. Die Behauptung, die Klingelschilder müssten abmontiert werden, »entbehrt jeder Grundlage«, da sie überwiegend analog und deshalb datenschutzrechtlich nicht betroffen seien.

Vor rund einer Woche hatte allerdings bereits die österreichische Hausverwaltung »Wiener Wohnen« für Schlagzeilen gesorgt. Nach der Beschwerde eines Mieters entschied sich der Verband, an 220 000 Wohnungen sukzessive die Namensschilder gegen die Wohnungsnummer auszutauschen. Die für Datenschutzangelegenheiten der Stadt zuständige Magistratsabteilung schätze die Verbindung von Nachname und Wohnungsnummer als einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung ein, hieß es. Wer dennoch seinen Namen am Klingelschild haben wolle, müsse nun selbst einen Aufkleber anbringen.

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»Das schreit nach einer Klärung«

Die rechtliche Einschätzung aus Österreich sei nicht von der Hand zu weisen, sagte Haus&Grund-Präsident Warnecke der dpa. Der Verband mit Sitz in Berlin vertritt rund 900.000 Mitglieder. »Wir wollen nicht in die Situation kommen, dass jeder Mieter klagen könnte.« Wer auf Nummer sicher gehen wolle, müsse deshalb die Namensschilder an den Klingeln entfernen lassen. Warnecke erwartet, dass die Streitfrage nun von der Politik gelöst werde. »Das schreit nach einer Klärung.«

Er sehe keine Notwendigkeit, die Namensschilder abzumontieren, sagte dagegen der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri. Der Vermieter sei im Regelfall sogar verpflichtet, einen Namen an die Klingel zu schreiben. Nur bei einem Widerspruch müsse das Schild weg. Ähnlich sieht es auch der Präsident der bayerischen Datenschutzaufsicht Thomas Kranig. Die Entscheidung aus Wien halte er für übertrieben, sagte Kranig der »Augsburger Allgemeinen«.

Auch die Berliner Datenschutzbehörde sieht keinen Grund zur Panik. Sie empfiehlt Vermietern, den Mietern bei Neuvermietung eine Wahlmöglichkeit zu bieten. Alle Namensschilder von Alt-Mietern zu entfernen, wäre dagegen »wirtschaftlicher Wahnsinn«, sagte Schönefeld. Bei möglichen Klagen würde ihre Behörde den Vermieter anschreiben. Die Verhängung von Bußgeldern hält Schönefeld - zumindest in Berlin - für unwahrscheinlich.

Bußgelder in Millionenhöhe

Die Datenschutz-Grundverordnung ist nach einer zweijährigen Übergangsfrist seit Mai offiziell in Kraft und gilt erstmals europaweit. Zum ersten Mal sieht das Regelwerk auch empfindliche Bußgelder in Millionenhöhe bei Verstößen vor. Damit erhoffen sich die Datenschützer vor allem ein wirksames Instrument gegen wiederholte Verstöße etwa durch Internet-Größen wie Facebook und Google. In vielen Anwendungsfällen, etwa in kleinen Firmen, bei Vereinen - oder nun auch bei Vermietern - herrscht allerdings vielfach Unsicherheit über die tatsächliche Auslegung.

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