Nachrichten

Vorsorge oder Hysterie: Braucht man Notvorräte in Corona-Zeiten?

dpa
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
09. März 2020

©Foto: Rene Traut/dpa © Foto: dpa

Aus Sorge vor dem Coronavirus Sars-CoV-2 legen viele Menschen auch in Deutschland derzeit Vorräte an. Aber was ist eigentlich sinnvolles Vorsorgen – und wo beginnt vielleicht schon die Hysterie?

51.931 Kilokalorien enthält der Notvorrat »Classic«. Laut dem Hersteller »SicherSatt« bietet er genügend Lebensmittel, um eine Person 30 Tage lang zu versorgen. Stolze 280 Euro kostet das Paket - dafür bekommt der Kunde Vollmilchpulver, Kartoffelpüree, Rote Linsen, Schwarze Bohnen, Kichererbsen, Dinkelflocken, Zucker, Weizenmehl, Nudeln, gefriergetrocknetes Gemüse, Reis und Volleipulver in vakuumierten Dosen, dazu Brühe, Soße und Energieriegel. Geschäftsführer Philipp Nater kommt mit dem Abfüllen und Verpacken derzeit kaum noch hinterher. »Wir haben in einer Woche so viele Bestellungen reinbekommen wie sonst in einem Jahr«, sagt er.

Gegründet wurde »SicherSatt« 2010 in der Schweiz, Nater ist seit 2012 dabei. Die Firma vertreibt in Wald bei Zürich und im baden-württembergischen Rielasingen Notfall-Pakete mit Lebensmitteln, Kochgeräten und anderer technischer Ausrüstung. Das neue Coronavirus beschert nun volle Auftragsbücher: Bereits im Januar habe die Nachfrage zugenommen, sagt Nater. »So richtig los ging es aber, als das Virus auch in Italien aufkam.« Inzwischen hat die Firma eine Lieferzeit von mehr als 12 Wochen. Er selbst halte die Sorge um Covid-19 für »völlig überrissen«, sagt Nater. »Aber das Virus hat auch etwas Gutes: Die Leute sind aufmerksamer, wenn es um das Thema geht.«

„Lagerbestände machen keinen Sinn“

Aber was braucht man eigentlich wirklich? Muss es tatsächlich das Rundum-Sorglos-Paket für teures Geld sein? Oder palettenweise Klopapier, Nudeln und Dosenravioli? »Nein«, sagt Michael Willms, Referatsleiter in der Abteilung für Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement im baden-württembergischen Innenministerium. »Angesichts von Corona macht es überhaupt keinen Sinn, irgendwelche Lagerbestände anzuschaffen.« Bilder von leeren Supermarktregalen suggerierten möglicherweise Versorgungsengpässe. »Die gibt es aber de facto nicht«, sagt Willms. »Es muss keiner befürchten, in nächster Zeit in einen Mangel von Bedarfsgegenständen zu kommen.«

Er vermute zwei Gründe hinter dem Bedürfnis mancher Bürger, sich jetzt umfassend mit Vorräten einzudecken. »Auf der einen Seite ist das ein Stück weit Psychologie, dass die Menschen sich sicher fühlen, wenn sie was tun können«, sagt Willms. »Und das Ganze wird aus meiner Sicht auch dadurch getriggert, dass man natürlich insbesondere aus China Bilder im Kopf hat von Ausgangssperren und ähnlichen Dingen.« Aber selbst wenn jemand in Deutschland wegen einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus in Quarantäne müsse, werde für ihn gesorgt. »In den Fällen, wo es kein soziales Umfeld gibt, dass einen versorgen kann, ist letztendlich die Wohnsitzgemeinde gefordert, dafür zu sorgen, dass das Notwendige zur Verfügung gestellt wird. Es muss keiner befürchten, in einer häuslichen Isolation von der Außenwelt, Nahrungsmitteln und Bedarfsgegenständen abgeschnitten zu sein.«

- Anzeige -

Aufbrauchen und nachkaufen

Sinnvoll sei dagegen - unabhängig von Covid-19 - ein »rollierender« Vorrat, der aus Produkten besteht, die man mag und die in den bereits bestehenden Haushalt integriert werden können, so Willms. Das betont selbst Nater: »Man muss seinen Notvorrat nicht bei uns kaufen.« Genausogut könne man haltbare Lebensmittel aus dem Supermarkt nehmen und das Essen dann regelmäßig aufbrauchen und nachkaufen. Das Angebot seiner Firma richte sich an Menschen, die dafür keine Zeit hätten, sagt Nater. »Unsere Pakete kann man in den Schrank stellen und muss sich nicht weiter darum kümmern.« Zehn Jahre Haltbarkeit garantiert das Unternehmen, die meisten Lebensmittel seien aber länger genießbar.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt seit Jahren einen Ratgeber für die Notfallvorsorge heraus. Darin sind beispielsweise Tipps enthalten, wie man sich im Fall einer Katastrophe wie Hochwasser, Stromausfall oder Sturm richtig verhält. Zudem gibt es eine Checkliste etwa zu Hygieneartikeln, Brandschutz oder zum Anlegen einer Hausapotheke. Außerdem rät die Behörde zu einem Zehntage-Vorrat pro Person - der unter anderem 20 Liter Getränke, dreieinhalb Kilogramm Getreide, Brot, Kartoffeln, Nudeln oder Reis und vier Kilo Hülsenfrüchte und Gemüse enthalten sollte. »Ihr Ziel muss es sein, 10 Tage ohne Einkaufen überstehen zu können«, heißt es in der Broschüre. Die Behörde betont aber auch: »Eine Bevorratung, die über den Ratgeber hinausgeht, wird aus fachlicher Sicht als nicht sinnvoll erachtet.«

Früher war es eher normal

Hat Nater denn schon mal Rückmeldung von Käufern bekommen, die eines der Pakete wirklich gebraucht haben? »Eine Kundin aus der Toskana hat mir erzählt, dass sie vor zwei oder drei Jahren von einem Wintereinbruch überrascht und eingeschneit wurden. Sie hat dann unsere Produkte verwendet«, sagt Nater. Er betont: Es gehe nicht darum, immer gleich die große Katastrophe anzunehmen. Für frühere Generationen sei es aber völlig normal gewesen, Lebensmittel etwa im Keller zu lagern, sagt Nater. »Da hieß es noch: Kluger Rat - Notvorrat.«

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".