Berlin

Wie aus Asylbewerbern Arbeitskräfte werden

dpa
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15. August 2018
Ein 2012 nach Deutschland Geflüchteter bei der Arbeit während seiner Ausbildung zum Industriemechaniker in Mainz.

Ein 2012 nach Deutschland Geflüchteter bei der Arbeit während seiner Ausbildung zum Industriemechaniker in Mainz. ©dpa - Andreas Arnold

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sorgt schon wieder für Gesprächsstoff. Abgelehnte Asylbewerber sollen leichter Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen, fordert er, einen «Spurwechsel» aus dem Asyl- ins Aufenthaltsrecht.

Rückendeckung gibt es vor allem von SPD, Grünen und FDP. Günthers niedersächsischer SPD-Kollege Stephan Weil etwa will Geduldeten so zu Lohn und Brot verhelfen, wenn sie gut integriert sind. Aber worum geht es genau? Und was dürfen Asylbewerber heute schon? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wieviel abgelehnte Asylbewerber gibt es in Deutschland, wieviel haben eine Duldung?

Nach offiziellen Angaben gab es zum Jahreswechsel gut 618.000 abgelehnte Asylbewerber. Davon waren rund 166.000 Personen geduldet. Die Differenz lässt sich trotzdem nicht so leicht errechnen: Laut Bundesregierung könnte ein Teil der statistisch noch erfassten Abgelehnten inzwischen ein Bleiberecht haben.

Wer geduldet wird, hat zwar eigentlich kein Aufenthaltsrecht im juristischen Sinne, wird aber dennoch nicht abgeschoben, weil es dringende Gründe dagegen gibt. Das kann etwa eine laufende Ausbildung sein.

Dürfen Flüchtlinge und Geduldete heute nicht arbeiten?

Doch. Anerkannte Flüchtlinge sind deutschen Arbeitnehmern gleichgestellt. Wenn das Asylverfahren noch läuft oder wenn jemand nur geduldet ist, gibt es hingegen Wartefristen und andere Hürden. So müssen die Ausländerbehörden und auch die Arbeitsagentur zustimmen, auch bei einer geringfügigen Beschäftigung. In manchen Fällen, etwa bei gesuchten Fachkräften, einer staatlich anerkannten Ausbildung oder einer Aufenthaltsdauer von mehr als vier Jahren muss die Bundesagentur nicht zustimmen.

Was ist mit einer Ausbildung?

Dafür gibt es die Ausbildungsduldung. Das Instrument kommt für Menschen in Frage, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Es gibt ein paar Bedingungen, zum Beispiel dürfen die Betreffenden nicht aus sicheren Herkunftsländern kommen (EU-Staaten und zum Beispiel Bosnien oder Mazedonien), und die Maschinerie, die zum Verlassen Deutschlands führen soll, darf noch nicht in Gang gesetzt sein. Wenn nichts dagegen spricht, können abgelehnte Asylbewerber so eine mindestens zweijährige Ausbildung im Handwerk, in der Industrie oder in einer Berufsfachschule beginnen. Danach dürfen sie mindestens zwei Jahre im erlernten Beruf in Deutschland arbeiten.

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Funktioniert das gut?

Die Länder nutzen die Regeln nicht einheitlich. «Der Weg zur Ausbildungsduldung ist in manchen Bundesländern deutlich steiniger als in anderen», beklagt Constantin Bräunig von der Initiative «Unternehmen integrieren Flüchtlinge». «Hier wäre eine einheitliche bundesweite Umsetzung für die Unternehmen wichtig.» Bei der Beschäftigung von Geduldeten komme zudem erschwerend hinzu, dass es in vielen Fällen weniger Möglichkeiten etwa zur Sprachförderung gibt als bei anerkannten Asylbewerbern.

In welchen Bereichen arbeiten Flüchtlinge in Deutschland?

Hinweise gibt eine Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit vom Frühjahr 2017. Dabei hat sie allerdings nur eine Reihe von Herkunftsländern untersucht und weist Geduldete nicht gesondert aus. Demnach finden die weitaus meisten Flüchtlinge aus den untersuchten Ländern Jobs in der Zeitarbeit. Eine Rolle spielen auch andere Dienstleistungen (etwa der Gebäudereinigung), das Gastgewerbe, der Handel und die Autoreparatur sowie das verarbeitende Gewerbe.

Warum hofft die Wirtschaft auf Bewegung?

Es mangelt an qualifizierten Arbeitnehmern. Alleine im Handwerk fehlten 150 000 Fachkräfte, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer jüngst unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit. Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag sind Fachkräfteengpässe für mehr als 60 Prozent der Unternehmen ein erheblicher Risikofaktor.

Wer einen Flüchtling beschäftigt, findet vielleicht eine dringend gesuchte Arbeitskraft, doch er muss auch Ungewissheit in Kauf nehmen. «Menschen, die in Beschäftigung sind, ihre Steuern zahlen, Stellen besetzen, die vorher leer standen, abzuschieben - das kann man den Unternehmen nicht erklären», sagt Bräunig von «Unternehmen integrieren Flüchtlinge». Betroffenen einen «Spurwechsel» vom Asyl- ins Zuwanderungsrecht zu ermöglichen, könnte es leichter machen, solche Arbeitnehmer in Deutschland zu halten.

Auch ein Einwanderungsgesetz könnte neue Möglichkeiten schaffen, ausländische Arbeitnehmer schon im Herkunftsland zu gewinnen. Und mancher, der heute trotz geringer Chancen in Deutschland Asyl sucht, jahrelang die Behörden beschäftigt und am Ende vielleicht abgeschoben wird, könnte stattdessen als Arbeitnehmer kommen.

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