Wie der Nil Ägyptens Hochkultur erst ermöglichte
Der Nil ist bis heute die Lebensader Ägyptens. Vor rund 4500 Jahren veränderte sich der längste Fluss der Welt: Es floss ruhiger und führte mehr fruchtbare Sedimente. Dadurch begünstigt kam es zur Blütezeit der altägyptischen Hochkultur.
Der Nil (abgeleitet vom Lateinischen „Nilus“) ist mit 6650 Kilometern der längste Flüsse der Erde und seit Tausenden von Jahren die Lebensader Ägyptens. Ohne das Wasser des „großen Stroms“ hätte eine der frühesten Hochkulturen, das altägyptische Pharaonenreich, nicht entstehen können.
Weißer Nil und Blauer Nil
Die Wiege der ägyptischen Zivilisation speist sich aus zwei Quellflüssen: dem in Burundi in Zentralafrika entspringenden Weißen Nil und dem Blauen Nil aus dem äthiopischen Hochland. Entlang seines Unterlaufs entstanden vor mehr als 4500 Jahren die gewaltigen Pyramiden und prachtvollen Tempel des alten Reichs.
In Khartum treffen Weißer Nil und Blauer Nil aufeinander, um unterhalb von Kairo schließlich ins Mittelmeer zu fließen. Am Ende dieser Reise hat der Nil von seiner entferntesten Quelle in Burundi aus 6671 Kilometer zurückgelegt.
Eine wichtige Voraussetzungen für dieses zivilisatorische Gedeihen waren die jährlichen Nilfluten, die fruchtbares Sediment mitbrachten, aber auch einige Nil-Seitenarme, die zu wichtigen Transport- und Handelswegen wurden.
Wiege der altägyptischen Hochkultur
Doch der Nil könnte den Beginn der Blütezeit des alten Ägyptens noch auf eine weitere Art begünstigt haben, erläutern Jan Peeters von der University of Michigan in Ann Arbour (US-Bundesstaat Michigan) und seine Kollegen in ihrer Studie im Fachjournal „Nature Geoscience“.
„Trotz seiner zentralen Rolle für die Geschichte des alten Ägypten ist nur wenig über Entwicklung des Nils im Holozän bekannt“, schreiben die Forscher. Vor allem das Fließverhalten des Nils in der Periode vom Ende der Eiszeit bis vor rund 2000 Jahren blieb unklar. Zur Info: Das Holozän ist die seit ungefähr 11 000 Jahren andauernde, gegenwärtige warmzeitliche Epoche des Eiszeitalters.
Um dies herauszufinden entnahmen die Geologen im Gebiet in Oberägypten, in dem die großen Tempel und Paläste von Theben, Luxor und Karnak errichtet wurden, insgesamt 81 Bohrproben quer durch das gesamte Niltal. Anhand dieser Sedimentschichten rekonstruierten sie die Veränderungen von Ufer und Flussbett im Laufe der letzten 12 000 Jahre.
Nil wurde vom reißenden Wasser zur Lebensader
Die Analysen zeigten, dass der Nil bis vor 4500 Jahren ein schnell fließender Strom mit tiefem Flussbett war, sehr viel schmaler und reißender als heute. Hinzu kam, dass er unvorhersehbar seinen Lauf wechselte. „In dieser Periode bestand der Nil aus einem Netzwerk verbundener Kanäle, die oft ihren Lauf veränderten“, sagt Koautor Angus Graham von der Universität Uppsala in Schweden.
Als im Laufe der Zeit das Klima in der Sahara und in den Quellgebieten des Nils trockener wurde, verringerte sich auch sein Wasservolumen. Mit der Folge, dass der Fluss langsamer floss und nicht ständig sein Bett veränderten. Zugleich führte das Nilwasser mehr Sand und andere Schwebteilchen mit sich, die sich als Sedimente an seinen Ufern ablagerten. Dadurch bildeten sich breite, von fruchtbarem Schwemmland bedeckte Fluss-Terrassen.
Fruchtbares Ackerland ließ Ägyptens Kultur aufblühen
„Die Veränderungen erweiterten nicht nur die Fläche des nutzbaren Landes im Niltal bei Luxor, sie schufen auch fruchtbare Böden, indem sie große Mengen nährstoffreiches Sediment ablagerten“, erläutern die Forscher. Weil das Bett des Nils stabil blieb, konnten die Menschen seine Ufer bebauen, ohne jedes Jahr aufs Neue von zerstörerischen Überschwemmungen heimgesucht zu werden.
Durch die Zunahme von fruchtbarem Land konnte die Landwirtschaft ausgebaut und eine größere Bevölkerung ernährt werden. Dies wiederum war die Voraussetzung dafür, dass in Oberägypten das Alte Reich entstehen und die Basis für die folgende Blütezeit der ägyptischen Kultur gelegt werden konnten.