Wie lange sollten Kinder an die Brust?
Stillen ist eine tolle Sache: Das Essen ist immer mit dabei und es ist billig. Aber wie lange sollte das Kind an die Brust dürfen - und was, wenn es nicht klappt? Gynäkologin Jutta Böhmler-Hahn gibt einen Überblick.
Stuttgart - Das Tolle am Stillen ist, dass man das Essen immer dabeihat. Es ist billig und die Kinder bekommen viele Nährstoffe und Antikörper durch die Muttermilch mit, was einen gewissen Schutz bietet. Wirkliche Nachteile gibt es nicht, außer dass man sich nicht wirklich vergnügen kann in dieser Zeit. Außerdem sollte man das Kind nicht zu lange ausschließlich stillen.
Die Nationale Stillkommission empfiehlt, sein Kind mindestens ein halbes Jahr zu stillen. Diese Empfehlung ist auch von UNICEF abgedeckt. Nach einem halben Jahr stellen Mütter dann normalerweise sukzessive um. Dadurch wird die Milchproduktion automatisch weniger und die Kinder werden an Brei gewöhnt. Irgendwann hört dann die Milchproduktion einfach auf.
In andern Ländern müssen Frauen lange stillen, weil sie nichts anders haben
Wird zu lange ausschließlich gestillt, können dem Kind bestimmte Nährstoffe fehlen, die in der Muttermilch einfach nicht enthalten sind. Es kann zu Mangelerscheinungen und zum Beispiel zu Rachitis, einer Erkrankung des wachsenden Knochens, führen. Das ist bei uns heutzutage nicht mehr häufig - aber in ärmeren Ländern, wo Frauen extrem lange stillen müssen, weil sie einfach nichts anders haben, kommt das öfter vor.
Bei uns sind die Kinder sowieso von Anfang an in der Betreuung eines Kinderarztes. Mit der Geburt bekommt jede Frau ein sogenanntes Gelbes Heft für ihr Kind. Da werden alle Untersuchungen dokumentiert und zum Beispiel kontrolliert, ob das Wachstum okay ist.
Was tun bei Problemen mit den Brustwarzen?
Die Milch abzupumpen ist eine gute Alternative. Man setzt das auch ein, wenn die Frauen Probleme mit ihren Brustwarzen haben. Oder bei Frauen, die Milchstau haben. Das Abpumpen regt die Brust an, obwohl der Saugreflex vom Kind noch besser ist. Manche Frauen, die zu viel Milch produzieren, pumpen sie auch ab, frieren sie ein und verfüttern sie in Notzeiten.
Kann man auch nach einer Brust-OP noch stillen?
Nach einer Brust-OP, kommt es ganz darauf an, was operiert wurde und warum man das gemacht hat. Aber es gibt viele Frauen, die nach einer Brust-OP noch stillen konnten. Man muss sich bei einer Schönheits-OP natürlich immer vorher fragen: Ist das wirklich notwendig? Aber heutzutage kann man relativ viel operieren, ohne dabei die Milchgänge zu beschädigen.
Wenn es allerdings eine Karzinom-OP ist, also aufgrund von Brustkrebs, sieht die Sache natürlich anders aus. Aber rein theoretisch kann man trotzdem stillen.
Stillen und die Mutter-Kind-Beziehung
Wenn das Kind an der Brust ist, dann hört es den Herzschlag der Mutter, spürt die Nähe und die Wärme, natürlich ist das gut für die Beziehung. Der Geruch, den das Kind wahrnimmt, die Wärme, die Verbundenheit – man spricht dem Stillen viel Bedeutung zu. Man kann sein Kind aber auch einfach in den Arm nehmen.
Der Still-Wahn von manchen Hebammen ist nicht fair den Frauen gegenüber, die nicht stillen können, aus welchem Grund auch immer. Diesen Frauen sollte man einfach empfehlen, das Kind oft in den Arm zu nehmen. Aber bei Schwangeren und Stillenden reden komischerweise immer alle mit, auch ohne Berechtigung.
Stillen ist prima, wenn es klappt. Aber auch wenn es nicht klappt, kann man seinem Kind die gleiche Liebe entgegenbringen.
Das Gespräch wurde von Hanna Helder aufgezeichnet.
„Unsere Kolumnen-Reihe „Lasst uns über ... reden“ über Liebe, Sex und Intimes – alle Folgen im Überblick“