Konflikte

"Wir haben einen Deal": Serbien und Kosovo vor Einigung

dpa
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19. März 2023
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell spricht nach dem Treffen zwischen Spitzenvertretern Serbiens und des Kosovos mit Journalisten.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell spricht nach dem Treffen zwischen Spitzenvertretern Serbiens und des Kosovos mit Journalisten. ©Foto: Boris Grdanoski/AP/dpa

Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist das Verhältnis Belgrads zu seiner einstigen Provinz Kosovo spannungsgeladen. Präsident Vucic und Ministerpräsident Kurti kamen nun einer Einigung näher denn je.

Ohrid - Nach zwölfstündigen Marathonverhandlungen im nordmazedonischen Ohrid haben die Spitzenvertreter Serbiens und des Kosovos beträchtliche Fortschritte erzielt. "Wir haben einen Deal", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor Journalisten.

Zuvor hatten der serbische Präsident Aleksandar Vucic und der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti um ein neues Abkommen gerungen, das die Beziehungen zwischen den beiden verfeindeten Balkanstaaten grundlegend regeln soll. Borrell und der Balkan-Sondergesandte der EU, Miroslav Lajcak, spielten dabei die Vermittlerrolle.

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo spaltete sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien ab und erklärte sich 2008 für unabhängig. Serbien erkennt dies bis heute nicht an.

Das geplante Abkommen sieht vor, dass Belgrad das Kosovo zwar nicht völkerrechtlich anerkennt, aber die Eigenstaatlichkeit seiner ehemaligen Provinz zur Kenntnis nimmt. Insbesondere soll es die Reisepässe, Kfz-Kennzeichen und Zollpapiere des Kosovos anerkennen. Das Kosovo soll die Rechte der serbischen Volksgruppe im Land institutionell absichern.

Vucic: "Habe heute nichts unterschrieben"

Bei einem ersten Treffen am 27. Februar in Brüssel hatten beide Seiten dem Entwurf eines Grundsatzabkommens verbal zugestimmt, das die EU auf der Basis eines deutsch-französischen Vorschlags vorgelegt hatte und das die Unterstützung der USA genießt. Am Samstag ging es um konkrete Fristen im Anhang des Abkommens, um dessen Punkte umzusetzen.

Wie schon in Brüssel wollte Vucic auch diesmal die erzielte Übereinkunft nicht unterschreiben. "Das Abkommen und sein Anhang gelten als angenommen", meinte Borrell nach Abschluss der Gespräche. Zugleich räumte er ein, dass die beiden Seiten den "ambitiöseren Vorstellungen" der EU-Vermittler nicht gefolgt seien. Auf die inhaltlichen Differenzen ging er nicht weiter ein. Man werde weiter daran arbeiten, "bis eine umfassende Übereinkunft erzielt" sei, fügte er hinzu. 

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"Ich habe heute nichts unterschrieben", erklärte Vucic vor Journalisten in Ohrid. "Wir haben auf jeweils unterschiedliche Weise aufgezeigt, wo für uns die jeweiligen roten Linien sind." Die Atmosphäre der Gespräche bezeichnete er als "konstruktiv". Für den serbischen Nationalisten stellt jede Aufweichung der harten Haltung gegenüber Pristina ein politisches Risiko dar. Rechtsradikale in Serbien drohten mit "heißen" Protesten, sollte Vucic in Ohrid "kapitulieren".

Kurti ist wiederum dem Druck der kosovo-albanischen Bevölkerung und Wählerschaft ausgesetzt, die Zugeständnisse an die serbische Volksgruppe ablehnt. Artikel 7 des Abkommens sieht aber vor, dass den Serben im Kosovo "ein angemessenes Ausmaß an selbständiger Regelung ihrer Angelegenheiten" zusteht. Pristina habe sich nun dazu verpflichtet, die Umsetzung dieses Punktes umgehend einzuleiten, sagte Borrell. 

Moskau nutzt Konflikt für Einflussnahme aus

Im Kosovo befürchtet man, dass zu starke Vetorechte für einen künftigen serbischen Gemeindeverband den Staat blockieren könnten. Außerdem erinnert man sich an die Unterdrückung durch die serbischen Sicherheitskräfte, als das Gebiet noch zu Serbien gehört hatte. Ein bewaffneter Aufstand der Kosovo-Albaner hatte 1998/99 noch massivere Menschenrechtsverletzungen durch Serbien zur Folge. Die Nato reagierte darauf im Frühjahr 1999 mit Bombardierungen im damaligen Rest-Jugoslawien (Serbien und Montenegro).

Serbien musste sich anschließend vollständig aus seiner damaligen Provinz zurückziehen. Von 1999 bis 2008 verwaltete die UN-Administration Unmik das Gebiet. 2008 erklärte sich das Land für unabhängig. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, haben das unabhängige Kosovo anerkannt - fünf EU-Mitgliedsländer, darunter Spanien und Griechenland, nicht.

Das Verhältnis des jüngsten europäischen Staates zu Serbien blieb ungelöst. Diplomatische Bemühungen des Westens führten in den vergangenen Jahren zu keiner wesentlichen Normalisierung der Lage. Im Vorjahr waren die Spannungen erneut eskaliert: Es gab Straßenblockaden und Zwischenfälle, bei denen geschossen wurde.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewann die Beilegung des Kosovo-Konflikts für den Westen wieder an Bedeutung. Moskau nutzt Schwachstellen in der politischen Ordnung verschiedener Balkanstaaten für Einflussnahme aus. Belgrad ist abhängig von Russland, weil die östliche Großmacht mit ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat die Aufnahme des Kosovos in die Weltorganisation verhindert. Serbien trägt als einziges Land der Region die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mit. 

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