Zu wenig Lehrer: Bildung in Not

Aber bisher hat es keine Regierung gegeben, die es für nötig hielt, den Lehrerbedarf auch auf Jahre hinaus vorauszuberechnen. Nicht jedes Jahr ist 2015, als der Flüchtlingszustrom diese Planung zunichte gemacht hätte. Schlimmer: Durch die an sich positive Verlängerung des Studiums für Grundschullehrerinnen und -lehrer fällt zum neuen Schuljahr ein ganzer Einstellungsjahrgang (400 Lehrkräfte) aus. ©dpa
Christoph Wolk vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) Südbaden schreibt in seinem Gastbeitrag für die Mittelbadische Presse, dass die Lehrerversorgung für das Jahr 2017/2018 keineswegs gesichert sei. Nicht nur der aktuellen Regierung wirft Wolk Versäumnisse vor.
Die Not an den Schulen ist groß. Die Lehrerversorgung für das kommende Schuljahr ist nicht gesichert, auch nicht im Pflichtbereich, obwohl es von offizieller Seite immer wieder so in der Öffentlichkeit lanciert wird. Für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) ist es klar, dass der Pflichtbereich nur dann gesichert ist, wenn für die entsprechende Schulart genügend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Es ist keine gültige Problemlösung, sogenannte »Nichterfüller« oder Pädagogik-Studenten oder Lehrkräfte ohne gültige zweite Staatsprüfung für die entsprechende Schulart – also beispielsweise Gymnasiallehrkräfte in Grundschulen – zur Unterrichtung der Schülerinnen und Schüler einzustellen. Dies kann und darf höchstens ein schnell einzuschlagender und vorübergehender Notnagel sein, um die größte Not zu lindern.
Dabei wurden in der Vergangenheit große Fehler gemacht. Der Schlimmste war die vom Rechnungshof angeleierte und von der grün-roten Regierung durchgeführte Streichung von fast 12 000 Lehrerstellen. Aber es geht weiter: Auch 2017 kann man an Gymnasien nicht von einer guten Versorgung sprechen. Hier stünden Lehrkräfte zur Verfügung, aber die sollen an Grundschulen eingesetzt werden, wo die Not noch größer ist. Und der Rechnungshof spricht auch schon wieder von weiteren vermeintlich nötigen Stellenkürzungen.
Kultusministerin Eisenmann hat in einer Pressekonferenz weitere Maßnahmen vorgestellt. Dabei begrüßt der VBE, wenn Teilzeitkräfte ihr Deputat freiwillig aufstocken, oder wenn beurlaubte Lehrkräfte gebeten werden, die Beurlaubung vorzeitig abzubrechen.
Für den Wohnortsbonus
Leider befinden sich unter den angedachten Maßnahmen aber auch solche, die der VBE ablehnt. Vorgesehene Abordnungen oder Versetzungen in Mangelbereiche dürfen nur im Einvernehmen aller Beteiligten erfolgen, denn es ist klar, dass Lehrkräfte nur dann erfolgreich unterrichten können, wenn sie am Morgen nicht schon unglücklich über lange Anfahrten oder unerwünschte Ortswechsel die Schule betreten. Dabei haben bisher alle Regierungen versäumt, einen Wohnortsbonus einzuführen. Damit ist gemeint, dass es doch auch in guten Zeiten der Lehrereinstellung möglich gemacht werden müsste, dass Lehrkräfte, die im Kreis Waldshut ansässig sind, auch bevorzugt im Kreis Waldshut eingestellt werden. Dasselbe gilt für Lehrkräfte aus Rottweil für Rottweil und Lehrkräfte aus Tuttlingen für Tuttlingen, usw. Es ist auch keine Lösung, das vermeintlich gut versorgte Freiburg durch Versetzungen »auf das Land« zu entleeren. Freiburg ist zwar besser versorgt als die anderen südbadischen Landkreise, aber von einer guten Versorgung zu reden, spricht jeglicher Realität Hohn. Auch dort klaffen auffallende Lücken in der Unterrichtsversorgung.
Schlechte Planung
Aber bisher hat es keine Regierung gegeben, die es für nötig hielt, den Lehrerbedarf auch auf Jahre hinaus vorauszuberechnen. Nicht jedes Jahr ist 2015, als der Flüchtlingszustrom diese Planung zunichte gemacht hätte. Schlimmer: Durch die an sich positive Verlängerung des Studiums für Grundschullehrerinnen und -lehrer fällt zum neuen Schuljahr ein ganzer Einstellungsjahrgang (400 Lehrkräfte) aus.
Pensionäre sollen die Unterrichtsversorgung retten. Das ist nicht die schlechteste Notlösung, aber sicher auch keine zukunftsweisende Lösung. Und wenn 400 Pensionäre in den Schuldienst zurückgekehrt sind, dann muss auch gesagt werden, dass es sich keinesfalls um 400 Volldeputate handelt. Pensionäre haben im Allgemeinen eine sehr reduzierte Unterrichtsverpflichtung, da die steuerlichen Auswirkungen des Zusatzverdienstes für große Irritationen sorgen. Niemand arbeitet gerne für das Finanzamt. Und nicht zu vergessen: Alle 400 Pensionäre wurden zu den Sommerferien entlassen. Momentan hat sich diese Zahl also auf null reduziert, und jeder muss neu gefragt werden, ob er/sie weitermache. Auch auf diese Art kann man Kolleginnen und Kollegen »wertschätzen«.
Wir sehen zusammenfassend, dass der »Patient Bildung« noch große Gesundungs- und Entwicklungsmöglichkeiten in sich birgt und dass alle bisherigen Regierungen ihren Beitrag dazu leisteten, dass es zu den derzeitigen Mangelerscheinungen gekommen ist. Wenn Geld in die Bildung gesteckt wird, so sind dies keinesfalls Ausgaben, sondern es ist ein Wertschöpfungsfaktor. Das muss die Politik lernen und verinnerlichen. Der VBE wird weiterhin darauf hinwirken.