Luftrettung in Baden-Württemberg

Ärger in Leonberg und am Bodensee, Freude in Tübingen

Jürgen Bock
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
17. November 2022
Mehr zum Thema
Die Retter aus der Luft werden im Land immer wichtiger und fliegen Tausende Einsätze jedes Jahr.

Die Retter aus der Luft werden im Land immer wichtiger und fliegen Tausende Einsätze jedes Jahr. ©Foto: DRF Luftrettung/.

Das Land will die Luftrettung mit zusätzlichen Hubschraubern und neuen Standorten verbessern. Jetzt sind die Entscheidungen gefallen. Die hochkochenden Emotionen dürfte das kaum beruhigen.

Es wirkt befremdlich. Da will das Land Baden-Württemberg die Versorgung der Bevölkerung im Land verbessern. Aus bisher acht sollen künftig zehn Rettungshubschrauber werden, die Standorte will man optimal verteilen. Und dann entsteht nur Ärger daraus. Denn seit Monaten werden die Pläne des Innenministeriums landauf, landab heiß diskutiert. Überall, wo Standorte wegfallen oder neu aufgebaut werden sollen, kochen die Gemüter hoch. Und im Ministerium versteht man die Welt nicht mehr. Seit Donnerstag nun haben zumindest alle Beteiligten Gewissheit, denn es ist entschieden, was passieren wird.

Das Ministerium wird die Vorschläge aus einem Gutachten des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement des Klinikums der Universität München aus dem Jahr 2020 voll umsetzen. Das bedeutet: Es soll künftig zwei zusätzliche Hubschrauber geben, und zwar in Lahr (Ortenaukreis) und Ravenstein (Neckar-Odenwald-Kreis). Sie sollen Versorgungslücken schließen.

Der Hubschrauber Christoph 41 wird von Leonberg (Kreis Böblingen) an die BG-Klinik in Tübingen verlegt, Christoph 45 von Friedrichshafen etwas Richtung Norden nach Deggenhausertal-Wittenhofen (Bodenseekreis). Christoph 51 in Pattonville (Kreis Ludwigsburg) bleibt erhalten, soll künftig aber ein 24-Stunden-Standort werden. Er wäre damit der zweite im Land neben Villingen-Schwenningen. Der bleibt ebenso unverändert wie die Standorte in Ulm, Mannheim, Freiburg und Karlsruhe, wohin der Hubschrauber im nächsten Jahr aus dem Interimsdomizil am Baden-Airpark zurückkehren wird. In Ulm werden die Flugzeiten morgens und abends etwas ausgedehnt.

„Wir wollen eine Verbesserung für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes. Es gibt derzeit Menschen, die unterversorgt sind“, sagt Staatssekretär Wilfried Klenk. Dafür müsse man die historisch gewachsene Luftrettung an die heutigen Bedürfnisse anpassen. Die Hubschrauber werden immer wichtiger, weil Kliniken schließen und die Wege für die Retter am Boden immer weiter werden. Die neue Planung sieht vor, dass jede Stelle in Baden-Württemberg künftig in höchstens 20 Minuten von einem Helikopter zu erreichen ist.

Umsetzung innerhalb dreier Jahre

- Anzeige -

Klenk geht von einer Umsetzungsphase von maximal fünf Jahren aus. Nach der Entscheidung jetzt folgen Baumaßnahmen – zur Ertüchtigung auch an den bestehenden Stationen – sowie Ausschreibungen. Das gilt nach und nach auch für die Standorte, die nicht verändert werden. „Wir gehen davon aus, dass die meisten Maßnahmen bereits in den nächsten drei Jahren weitgehend umgesetzt sind“, so Klenk. Die Kosten für die Umstrukturierung tragen die Krankenkassen.

Die Debatte über die Luftrettung ist in den vergangenen Monaten hochemotional geführt worden. In Wannweil (Landkreis Reutlingen) etwa hatte sich der Gemeinderat erst für, dann gegen eine Bewerbung für einen Standort entschieden. In einem Bürgerentscheid sprachen sich die Menschen daraufhin für die Bewerbung aus. Zahlreiche weitere Gemeinden hatten ihren Hut in den Ring geworfen. In Leonberg und Friedrichshafen dagegen hatten sich Kliniken, Politik und teils auch Mediziner massiv gegen die Verlegung der dortigen Hubschrauber gewehrt. Sie hatten Zehntausende Unterschriften für Petitionen gesammelt, die im Landtag aber durchgefallen sind. Dabei war auch harsche Kritik am Ministerium und an den Gutachtern laut geworden, was wiederum dort für großen Ärger gesorgt hat.

Kritik an den Kritikern

Dementsprechend deutlich sind jetzt auch die Äußerungen dazu. „Die Diskussion war nicht immer von sachlichen und fachlichen Punkten geprägt, sondern von emotionalen und solchen, die die Interessen der Kliniken betreffen“, sagt Stephan Prückner, Direktor des Instituts für Notfallmedizin. Das könne für ein Gutachten, das auf die Versorgung aller Menschen ziele, aber nicht entscheidend sein. Die Prüfung geeigneter Flächen hatten zuletzt die vier Regierungspräsidien übernommen. Klenk nannte manche Kritik „völlig schräg“ und betonte, es habe „keinerlei politische Einflussnahme“ auf die Gutachter gegeben. Christoph 41 aus Leonberg fliege zum Beispiel bereits heute mit den allermeisten Patienten die Kliniken in Tübingen, wo er künftig stationiert sein wird, in Stuttgart und Ludwigsburg an.

Merklich zurückgehalten haben sich bisher die Retter selbst. Sieben der acht derzeitigen Stationen in Baden-Württemberg werden von der DRF Luftrettung mit Sitz in Filderstadt (Kreis Esslingen) betrieben. Auch die in Leonberg und Friedrichshafen. Jetzt werden die Karten neu gemischt. „Alle für eine Umsetzung der heutigen Entscheidungen des Innenministeriums erforderlichen Gespräche werden wir als Luftretter gemeinsam mit dem Träger zeitnah durchführen“, sagte eine DRF-Sprecherin. Die bestmögliche notfallmedizinische Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger sei dabei das Ziel. Man werde sich „selbstredend an jeder anstehenden Ausschreibung für eine unserer bestehenden oder zu verlegenden sowie neuen Stationen beteiligen“.

Mehr zum Thema

Weitere Artikel aus der Kategorie: Region

27.03.2024
Region
Vier Wochen, nachdem er einen Mann in Rastatt mit einem Auto angefahren und schwer verletzt haben soll, ist ein Jugendlicher in Untersuchungshaft gekommen. Die Ermittler verdächtigen ihn des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Die Sterne des "Guide Michelin" gehören zur wichtigsten Auszeichnung für Spitzenköche weltweit.
27.03.2024
Hohe Sternendichte in Baiersbronn
Welche Köche dürfen sich in diesem Jahr das berühmte rote Blechschild mit einem oder mehreren Sternen vor das Restaurant hängen? Die wohl wichtigste Auszeichnung in der Kochbranche bietet eine Überraschung für Baden-Württemberg.
Von einem Schäferhund angegriffen wurde ein Zehnjähriger in Bühl.
26.03.2024
Region
Durch einen Schäferhund mit Bissen an Kopf und Rücken verletzt worden ist worden ist am Montagmittag ein Junge in Bühl. Der Zehnjährige musste zur Behandlung ins Krankenhaus.
Wegen eines schweren Unfalls auf Höhe Bühl musste die A5 am Dienstagmorgen auf voll gesperrt werden. 
26.03.2024
Region
Auf der A5 ist es in der Nacht auf Dienstag zu einem schweren Unfall gekommen. Eine 21-Jährige kam beim Überholen von der Fahrbahn ab und wurde schwer verletzt. Die Autobahn war für mehrere Stunden gesperrt.
25.03.2024
Region
Der amtierende Präsident der Handwerkskammer Freiburg, Johannes Ullrich, ist am Freitag im Alter von 62 Jahren verstorben. Das hat die Handwerkskammer am Montag bekanntgegeben.
An der Tank- und Rastanlage Baden-Baden sorgen Löscharbeiten derzeit für eine Vollsperrung der Raststätte.
21.03.2024
Verkehrsbehinderung durch Löscharbeiten
Ein brennender Lastwagen hat für eine Vollsperrung der Tank- und Rastanlage Baden-Baden gesorgt. Eine Polizeistreife hatte das Feuer an einer Zugmaschine bemerkt und die Löscharbeiten eingeleitet.
Zwei junge Männer aus Rastatt wurden Opfer von sogenanntem "Sextortion", also das Erpressen von Geld durch die Drohung, intime Fotos zu veröffentlichen. 
21.03.2024
Betrugsmasche
Ein 18 und ein 22 Jahre alter Mann aus Rastatt sind am Mittwoch Opfer eines Online-Erpressungsversuches geworden. Beide zahlten nicht und meldeten den Vorfall der Polizei. Diese warnt vor der Masche der Betrüger
Gegen einen 19-Jährigen wird am kommenden Montag vor dem Amtsgericht Freiburg verhandelt. Der in der Ortenau wohnhafte Angeklagte soll durch gewerbsmäßigen Betrug rund 500.000 Euro erwirtschaftet haben. 
20.03.2024
Region
Am Montag wird am Freiburger Jugendschöffengericht gegen einen 19-Jährigen aus der Ortenau verhandelt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, als falscher Polizist mit anderen Tätern rund eine halbe Million Euro erbeutet zu haben.
19.03.2024
Region
Der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Schuttertal, Carsten Gabbert, wird neuer Regierungspräsident des Regierungsbezirks Freiburg.
Hochwasser ist in Regionen um den Rhein ein wiederkehrendes Problem.
19.03.2024
Hochwasser in der Rheinregion
Anliegerstaaten des Rheins ziehen ein Bauprogramm durch, um die Bevölkerung besser vor Hochwasser zu schützen. Ein Umweltexperte plädiert dafür, an Ort und Stelle auch für Akzeptanz zu sorgen.
15.03.2024
Tatverdächtigen aus der Region
Ein 27 Jahre alter Mann aus der Region vin Rastatt steht im Verdacht, Kinder sexuell missbraucht und dabei kinderpornografisches Material hergestellt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden hatte zuvor einen Haftbefehl gegen den Mann erwirkt.
Start trotz Streik: Ryanair leitet Abflüge von Karlsruhe/Baden-Baden auf andere Flughäfen um.
15.03.2024
Flüge umgeleitet
Die Fluggesellschaft Ryanair hat Flüge nach Palma und Barcelona vom Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden auf andere Flughäfen umgeleitet.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.