Der europäische Blick aus dem Straßburger Glaspalast

Arte – seit 30 Jahren sendet dieser deutsch-französische Fernsehkanal. ©Foto: Claudia Kornmeier/dpa
Der Straßburger Glaspalast von Arte steht an einem symbolträchtigen Ort. Das auffällige und transparent gestaltete Gebäude mit dem davor platzierten Kunstwerk des „Giraffenmenschen“ von Stephan Balkenhol erhebt sich am Ufer der Ill am Quai Chanoine Winterer – quasi in Rufweite des Europäischen Parlaments und des Europarats. Und das ist für Arte bis heute Richtschnur und Verpflichtung. „Bei allen unseren Sendungen werfen wir einen europäischen Blick auf das Geschehen in der Welt“, betont denn auch Claude Savin, Pressechefin von Arte.
Seit mehr als 30 Jahren sendet nun dieser deutsch-französische Fernsehkanal, für den sich ab 1988 der frühere französische Präsident François Mitterrand und der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl stark machten. Die beiden Staatsmänner hatten eine Vision, die auch heute noch trägt: Sie wollten einen deutsch-französischen Kultursender, der jedoch für alle Menschen in Europa eine Bedeutung bekommen sollte.
Der Anfang
Im Mai 1992 war es soweit: Arte ging erstmals, vorerst nur abends, auf Sendung. 100 Beschäftigte aus beiden Ländern waren damals für das Programm tätig – heute sind es in Straßburg rund 561. Zuerst fand Arte Quartier im Komplex des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders France 3 am Straßburger Place de Bordeaux. In den Jahren danach erfolgten mehrere Umzüge, an bis zu sieben Orten waren die Fernsehmacher tätig, bis 2003 am heutigen Standort alle Abteilungen zusammengeführt werden konnten.
Carolin Ollivier steht mitten im deutsch-französischen Fernsehalltag. Die Arte-Nachrichtenchefin und ihre Kollegen sind für die täglich gesendete Informationssendung „Arte Journal“, aber auch für das Internet-Angebot „Arte Info“ und die Sendung „Arte Journal Junior“ für junge Zuschauer im Alter zwischen 10 und 14 Jahren zuständig. Knapp hundert Beschäftigte sind in der Abteilung tätig, darunter auch freie Journalisten und Übersetzer. „Wegen der binationalen Zusammensetzung sind viele Absprachen nötig“, so Ollivier, „aber die Kooperation ist für alle sehr bereichernd und öffnet die Augen für eine europäische Perspektive.“
Das Herzstück
Die Nachrichtenabteilung ist das Herzstück von Arte in Straßburg, weil die Sendungen komplett in dieser Stadt produziert werden - wobei man auf freie Korrespondenten in aller Welt zurückgreifen kann. Die anderen Produktionen wie Spielfilme oder Serien kommen von den beteiligten Partnern. Denn Arte kann nur senden, wenn ein kompliziertes deutsch-französisches Beziehungsgeflecht reibungslos funktioniert. Die Arte-Gruppe besteht aus drei Mitgliedern. In Straßburg befindet sich formal der Gesellschaftssitz Arte GEIE (Groupement européen d’intérêt économique). Ferner gehören Arte France (die öffentlich-rechtlichen Sender in Frankreich) und Arte Deutschland (ARD und ZDF) dazu.
Die beiden letzteren Gruppen finanzieren Arte GEIE zu jeweils 50 Prozent. Sie steuern jeweils 40 Prozent des Programmvolumens bei, sodass 20 Prozent, in der Hauptsache die Nachrichtensendungen, in Straßburg selbst produziert werden. Arte wird also wie die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland mit dem Rundfunkbeitrag finanziert. In Frankreich wird nun jedoch die Finanzierung dieser Sender künftig aus Steuermitteln erfolgen.
In den vergangenen Jahrzehnten ist das Arte-Programm ständig gewachsen – und das in mehrfacher Hinsicht. Das betrifft zunächst die Sendezeit. 2001 begann man mit dem Programm ab 14 Uhr, während es vorher nur ein Abendprogramm gab. Mittlerweile sendet der Kulturkanal rund um die Uhr. Ferner arbeitet man nun mit vielen Partnern im europäischen Ausland zusammen, um das Publikum in weiteren Staaten anzusprechen. Insgesamt elf Kooperationspartner sind nun mit im Boot: Von YLE in Finnland über LRT in Litauen bis RTVE in Spanien. Durch technische Innovationen wurde diese stärkere Verbreitung erleichtert. Kann das Arte-Programm über Kabel in Europa empfangen werden, ist das lineare Fernsehprogramm auch über Satellit, DSL und weitere Anbieter zu bekommen.
Ständig erweitert
Von großer Bedeutung ist nicht zuletzt die konsequente Nutzung des Internets in Zusammenhang mit dem Aufbau der Arte-Mediathek, was eine Verfolgung des Programms am Bildschirm ermöglicht. Im Jahr 2005 begann der Sender mit der digitalen Ausstrahlung rund um die Uhr in HD. Das Programm wurde ständig erweitert, Arte-Produktionen in der Mediathek und im Livestream können längst auf Smart TVs und mobilen Endgeräten (Handys) mit der Arte-App empfangen werden. Nicht zuletzt bietet der Kulturkanal im Internet ein großes Angebot online an: viel Musik etwa mit „Arte Concert“, aber auch viel Kino oder eigens für die sozialen Netzwerke produzierten Formate.„Wir konnten ein starkes Wachstum bei den digitalen Reichweiten feststellen“, so Claude Savin.
Ein wichtiger Schritt war schließlich die Erweiterung des Sprachangebots. Mit einer EU-Finanzierung wurde es ermöglicht, Sendungen in sechs Sprachen zu senden. Neben Deutsch und Französisch sind dies Englisch, Polnisch, Italienisch und Spanisch. Allerdings sind die in diesen Sprachen online gestellten Programme – insgesamt sind es über 1000 – nicht immer identisch.
„Wir nehmen auf die Zielpublika in diesen Ländern Rücksicht“, erklärt Amélie Leenhardt, die für die europäische Entwicklung zuständig ist. 70 Prozent der Europäer könnten nun das Programm in ihrer Muttersprache verfolgen.
Die Reichweiten für die Arte-Angebote sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Nach Angaben des Senders wurde 2021 ihn Deutschland ein Marktanteil von 1,3 Prozent und in Frankreich von 2,9 Prozent erzielt. Allein für die Mediathek sei zwischen 2019 und 2022 ein Reichweitenzuwachs von 116 Prozent erreicht worden.
Das gesamte digitale Programmangebot auf arte.tv, YouTube, Facebook, Instagram und weiteren Drittplattformen hat 2021 mehr als 2 Milliarden Videoaufrufe erzielt.