Isoliert im Unterdruckraum
Stuttgart - Der Blick aus dem Fenster geht über die Schwäbische Alb. Trotzdem gibt es spannendere Orte als die Krankenzimmer in der Infektiologie der Uniklinik Tübingen. Mittlerweile drei Coronapatienten harren dort aus. Dem Vernehmen nach haben sie sich mit ordentlich Lesestoff eingedeckt. Außer den Ärzten, Pflegekräften und dem Reinigungspersonal darf niemand zu ihnen.
Durch mehrere Glastüren ist die Isolierstation gesichert. Wer hinein will, muss an einer Art Kanzel vorbei. „Hier wird jeder gesehen, der kommt“, versichert eine Sprecherin der Uniklinik. Diese Sicherheitsvorkehrungen gibt es allerdings nicht erst, seit das Coronavirus seinen Weg nach Baden-Württemberg gefunden hat. Der Umgang mit ansteckenden Krankheiten sei für die Mitarbeiter der Isolierstation täglich Brot, sagt die Kliniksprecherin. Gefährliche Krankheiten wie Tuberkulose oder das Norovirus würden dort behandelt.
Umziehen braucht Zeit
An der Tür zum Krankenzimmer hängt ein Zettel mit einem Stoppschild. Darunter sind die Sicherheitsvorkehrungen aufgelistet, die von den Mitarbeitern einzuhalten sind, ehe sie zu den Patienten gehen. Handschuhe, Schutzkittel und Schutzbrille sind vorgeschrieben. Auf Überschuhe und Haube kann verzichtet werden. In der Schleuse, einem kleinen Vorraum zum Zimmer, legen die Mitarbeiter die Schutzkleidung an, dort ziehen sie sie auch wieder aus. Anschließend ist eine Handdesinfektion vorgeschrieben.
Die Prozedur braucht Zeit. Deshalb gibt es in der zweiten Tür eine Scheibe zum Krankenzimmer, durch die das Personal mit den Patienten kommunizieren kann, ohne den Raum betreten und die Schutzkleidung anziehen zu müssen. Im Zimmer herrscht ein leichter Unterdruck, der dafür sorgt, dass keine Viren durch den Luftzug nach außen transportiert werden.
Isolierstation bleibt geschlossen
Wenn es um hochansteckende Krankheiten geht, ist das Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) im Land das Maß aller Dinge. Es zählt zu den sieben Behandlungszentren für hochkontagiöse Krankheiten in Deutschland. Vier Betten werden in der Isoliereinheit vorgehalten. Für die Mitarbeiter liegen spezielle Schutzanzüge bereit, die aussehen, als könne man mit ihnen auf Mondexkursion gehen. In Vier-Stunden-Schichten werde gearbeitet, sagt der Medizinische Geschäftsführer des RBK, Mark Dominik Alscher. Länger halte man es in den Astronautenanzügen nicht aus. „Sonst gibt es Kreislaufprobleme.“
Die Isoliereinheit ist Patienten mit gefährlichen, oft tödlichen Krankheiten wie Ebola oder Lassafieber vorbehalten. Für das Coronavirus hat Alscher sie gar nicht erst hochgefahren. Aus seiner Sicht sei es nicht einmal nötig, die Patienten in ein Schleusenzimmer mit Unterdruck zu legen. „Es reichen die gleichen Sicherheitsvorkehrungen wie bei einer Grippe.“
Das Unterdrucksystem läuft sowieso
Im Prinzip sehen das die Kollegen in Tübingen genauso. „Für Coronapatienten können auch normale Isolierzimmer genutzt werden.“ Lediglich eine eigene Nasszelle sei nötig, um die Ausbreitung über Ausscheidungen zu verhindern. In diesem Fall werde die Schutzausrüstung vor der Tür angezogen. Dennoch haben auch die Alb-Fils-Kliniken in Göppingen ihren Coronapatienten – der erste im Land – in einem Schleusenzimmer untergebracht. „Wir haben sieben Zimmer mit Unterdruck. Das System läuft sowieso“, sagt der Klinikchef Ingo Hüttner.
Höhere Einnahmen können die Krankenhäuser dadurch nicht verbuchen. Abgerechnet wird per Fallpauschale. Bei Coronapatienten ohne relevante Symptome beträgt sie für die 14-tägige Abklärungszeit insgesamt kaum mehr als 4000 Euro. Zum Vergleich: in der Isoliereinheit des RBK kostet allein ein Tag 16 000 Euro. Mit einer zunehmenden Zahl der Fälle dürften die Schleusenzimmer aber knapp werden. Dann komme auch eine Kohortenisolation in Betracht, sagt Annette Baumer von der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft, also die gemeinsame Unterbringung von Patienten. Leichter Erkrankte würden vermutlich verstärkt zu Hause in Quarantäne gehen. Ein geschlossenes Einzelzimmer und eine Nasszelle sei aber auch dort nötig.