Jagd durch den Menschen rottete Höhlenbären aus
Der Mensch ist deutlich stärker für das Aussterben des Höhlenbären verantwortlich als bislang angenommen. Das hat ein Forscherteam durch den Vergleich von Bären-Erbgut aus mehr als einem Dutzend Höhlen in Europa herausgefunden.
Jagd auf Höhlenbären führte zu ihrem Aussterben
Die konfliktreiche Beziehung zwischen Höhlenbär und Menschen wird nun erstmals über diesen langen Zeitraum in Deutschland von einem Forscherteam der Universität Tübingen, der Universität Göttingen, des Senckenberg Centres for Human Evolution and Palaeoenvironment sowie der Landesämter für Denkmalpflege Baden-Württemberg und Niedersachsen dokumentiert.
Die Forscher können die lang umstrittene Frage beantworten, ob der Klimawandel oder auch der Mensch Ursache für das Aussterben des Höhlenbären war. Ihre Studie belegt durch Funde eine immer intensiver werdende Jagd auf den Höhlenbären und legt somit auch den Menschen als Ursache für das Aussterben des Höhlenbären nahe. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Quarternary Science Reviews“ erschienen.
Bären dienten Frühmenschen als Nahrung
Der Mensch zog Höhlenbären ihr Fell bereits vor 320 000 Jahren ab. Mit dem Auftreten des Homo sapiens in Europa vor 45 000 Jahren intensivierte sich der Jagddruck auf das Tier, bis Ursus spelaeus schließlich vor 24 000 Jahren ausstarb.
Mit 1,70 Meter Schulterhöhe und einer Länge bis zu 3,5 Metern war der Höhlenbär deutlich größer und massiger als sein Verwandter, der Braunbär, der bis heute überlebt hat.
„Der Mensch machte sich den Höhlenbären auf vielfältige Weise zunutze: Er aß sein Fleisch, fertigte Kleidung aus dem Fell, trat auch in eine symbolische Beziehung mit dem Tier über Schmuckstücke aus dessen Zähnen oder Bärenfiguren aus Elfenbein“, sagt Giulia Toniato, die Koordinatorin des Forscherteams.
Vier Beispiele von durch Menschen verursachte Schnittspuren an Bärenresten aus Schöningen.
Foto: Universität/Tübingen
„Höhlenbären wurde auch der Kopf abgetrennt, sie wurden entfleischt und dienten dem Menschen als Nahrung“, ergänzt Susanne Münzel vom Institut für naturwissenschaftliche Archäologie an der Universität Tübingen.
Der Höhlenbär (Ursus spelaeus) gehörte zur sogenannten Megafauna – also Großtieren. Er trat ungefähr zur selben Zeit auf wie der Mammut, das Wollnashorn, der Riesenhirsch und der Höhlenlöwe, die ebenfalls alle ausgestorben sind.
Funde auf der Schwäbischen Alb
Die Forscher untersuchten fünf Fundorte in Deutschland (Schöningen, Einhornhöhle, Hohle Fels, Geißenklösterle, Schafstall), in denen Knochen des Höhlenbären über einen Zeitraum von 300 000 bis 28 000 Jahren vor heute nachweisbar sind, und setzten sie in Beziehung zu bestehenden Studien über Funde von Bärenknochen in Frankreich, Belgien, Italien, Bulgarien und Polen.
In Deutschland ist eine der ältesten Nachweise der Nutzung des Höhlenbären durch den Menschen aus der Freilandstation Schöningen in Niedersachsen bekannt: Feine, lange Schnittspuren auf Tatzenknochen, die sich deutlich von Bissspuren großer Raubtiere unterscheiden, lassen eindeutig darauf schließen, dass der Mensch Hand anlegte, um dem Bären das Fell abzuziehen.
So stellte sich ein Künstler um 1907 die steinzeitliche Jagd auf einen Höhlenbären vor.
Foto: Imago/Heritage Images
Die Funde aus Einhornhöhle, Geißenklösterle und Hohle Fels zeigen, dass die Bärenjagd auch bei den Neandertalern eine gelegentliche Praxis war. Mit der Ausbreitung des modernen Menschen in Europa wurden die Bären intensiver genutzt, wie die größere Häufigkeit und Vielfalt modifizierter Bärenreste aus Schafstall II, Geißenklösterle und Hohle Fels belegen.
Lebensweise des Höhlenbären hat Ausrottung beschleunigt
Die Lebensweise des Höhlenbären, der von circa 400 000 bis 20 000 Jahren lebte, hat den Wissenschaftlern zufolge die Ausrottung sicher beschleunigt: Die Pflanzenfresser lebten demnach in der Nähe ihrer Geburtshöhlen, die meist in besonders günstigem und fruchtbarem Gelände lagen.
So sei der Mensch, der ebenfalls Höhlen für sich beanspruchte, zunehmend zum natürlichen Konkurrenten des ortstreuen Bären geworden. Die durch die hohe Zahl erlegter Exemplare dezimierte Bären-Population habe sich nicht mehr erholen können. Zusätzlich verwundbar wurde das Pelztier durch die Pflanzenknappheit während der letzten Eiszeit.
Bären-Drama im Hohle Fels
Vor Zehntausenden von Jahren war auch auf der Schwäbischen Alb das Reich des mächtigen „Ursus spelaeus“. Ein abgebrochenes Projektil aus Feuerstein in den Brustwirbeln eines Bären aus dem Hohle Fels bei Schelklingen zeugt von so einem Überfall. Im Schutz des Felsengewölbes verbrachte er seinen Winterschlaf, während draußen eisige Winde fegten und meterhoher Schnee die baumlose Tundra bedeckte.
Mit 1,70 Meter Schulterhöhe und einer Länge bis zu 3,5 Metern war der Höhlenbär deutlich größer und massiger als sein Verwandter, der Braunbär, der bis heute überlebt hat.
Foto: Imago/Funke Foto Services
Doch weder seine Größe noch seine Kraft haben ihm beim Kampf ums Überleben gegen den Menschen geholfen.
Foto: Imago/Funke Foto Services
Irgendwann vor 35 000 Jahren könnte sich im Dunkel der Höhle ein Drama abgespielt haben. Menschen der steinzeitlichen Kultur des Aurignacien stießen auf der Suche nach Unterschlupf und Beute auf einen schlafenden Bären und töteten ihn.
Von dem Kampf auf Leben und Tod zeugt bis heute ein Brustwirbel des Raubtieres, in dem noch die abgebrochene Spitze eines Speeres aus Feuerstein steckt und auf dem Schnittspuren zu sehen sind. „In dieser Lage konnten die Jäger den Bären nur in seiner Schlafposition vorgefunden haben“, erklärt Susanne.
Um 20 000 v. Chr. starb die Spezies aus
Die genetische Vielfalt der Höhlenbären ging bereits vor 50 000 Jahren zurück, als noch Neandertaler durch Europa streiften. Mit dem Einzug des Homo sapiens erhöhte sich die Konkurrenz um den Lebensraum Höhle und gleichzeitig der Jagddruck. Die jüngsten Funde von Höhlenbärenknochen sind 24 000 Jahre alt und wurden in Norditalien entdeckt. Danach verliert sich seine Spur.
Der Mensch, der ebenfalls Höhlen für sich beanspruchte, wurde zum natürlichen Konkurrenten des ortstreuen Bären.
Foto: Imago/Funke Foto Services
Skelett eines Höhlenbären aus der Sophienhöhle in der Fränkischen Schweiz, Bayern.
Foto: Imago/Imagebroker
„Höhlenbären haben also die Zeit der Maximalvereisung vor 20 000 Jahren nicht überlebt, Braunbären dagegen schon. Der Grund ist die unterschiedliche Ernährung der beiden Bärenarten, denn Höhlenbären haben sich ausschließlich vegetarisch ernährt. Die vegetationsarme Winterzeit mussten sie durch ihre Winterruhe überbrücken, in der auch die Jungbären geboren wurden.
Braunbären hingegen waren Fleischfresser, solange sie Zeitgenossen der Höhlenbären waren. Nach der Maximalvereisung und dem Aussterben der Höhlenbären erweiterten sie ihr Spektrum auf hauptsächlich pflanzliche Nahrung. Das bedeutet, dass sich Braunbären besser an die veränderten Umweltbedingungen angepasst haben“, sagt Münzel.