Stuttgart versteht doch Spaß
Stuttgart - Der Tiefbahnhof ist noch lange nicht fertig, doch das satirische Stuttgart-21-Denkmal von Peter Lenk wird im Oktober definitiv in der Landeshauptstadt aufgestellt. Wie der Bildhauer unserer Zeitung bestätigte, habe er mit der Stadt einen entsprechenden Vertrag geschlossen. Er sieht eine vorübergehende Aufstellung des neun Meter hohen Kolosses vor dem Stadtpalais am Charlottenplatz vor. Dort startet auch eine Veranstaltungsreihe, die an den „Schwarzen Donnerstag“ vor zehn Jahren erinnert, als der Protest gegen das umstrittene Tiefbauwerk von Wasserwerfern förmlich von der Straße gespritzt wurde.
Auch Lenk, der in Konstanz unter anderem die Hafenschönheit Imperiaerschaffen hat und die Großen und Wichtigen dieser Welt gerne nackt mit kleinem Gemächt (Herren) oder opulenter Oberweite (Damen) darstellt, greift die damaligen Geschehnisse auf. Auf mehreren Reliefs am Sockel hat er 140 erkennbare Akteure von damals abgebildet, die mit Juchtenkäferkot experimentieren, aus vollen Rohren feuern und sich im unterirdischen S-21-Erlebnisbad vergnügen. Darüber thront ein überdimensionierter Laokoon, der nicht wie in der griechischen Mythologie mit einer Schlange, sondern einem wildgewordenen ICE kämpft.
Gerufen hat die offizielle Stadtpolitik wohl nicht nach dem Denkmal, aber wehren konnte sie sich am Ende auch nicht. „Ich bin 73. Wenn ich bis Ende September keine Zusage habe, stelle ich den Laokoon bei mir Bodman auf“, hatte Lenk angekündigt. Ein S-21-Denkmal am Bodensee hätte allerdings wohl bundesweite Zweifel am Humor der Stuttgarter ausgelöst. Zudem hatten mehr als 700 Spender, zumeist aus dem Kreise der Projektgegner, mehr als 110 000 Euro zusammengetragen, mit der Maßgabe, das Denkmal auch tatsächlich in Stuttgart aufzustellen.
Man habe mittlerweile die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat informiert und könne nun loslegen, heißt es in einem Schreiben des Kulturamtsleiters Marc Gegenfurtner an den Künstler. Welche Protagonisten auf dem Denkmal abgebildet sind, weiß man im Rathaus nicht. Das hält Lenk bis zur Enthüllung geheim, um sich nicht schon im Vorfeld mit Unterlassungsklagen herumschlagen zu müssen, Allerdings plane er mit Rücksicht auf die Corona-Pandemie zum Start keine große Veranstaltung, sagte Lenk.
Ansonsten geht das Kulturamt in dem Vertrag kein Risiko ein. Demnach darf der Laokoon maximal bis zum 30. März bleiben. Baue Lenk es nicht rechtzeitig wieder ab, werde es auf seine Kosten demontiert. Auch die Kosten für die Aufstellung und eventuelle Schäden und für einen Spezialsockel trägt laut Vertrag der Künstler. Eine Spezialfirma aus Singen werde mit zwei Schwertransportern das Kunstwerk kostenlos für ihn anliefern, sagte Lenk.
„Ich halte mich an meine Verträge“, sagte der Bildhauer. Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass zunächst skeptische Stadtväter und -mütter nach der Probezeit ein Denkmal doch behalten wollen, weil es sich zum Touristenmagnet entwickelt hat – siehe Konstanz. Der Kulturbürgermeister Fabian Mayer (CDU) schließt eine solche Entwicklung offenbar nicht aus. Abtransport oder Ankauf, alles sei möglich, soll er gegenüber den Fraktionschefs erklärt haben. Entscheidend dürfte sein, wie lustig und treffend die Stuttgarter das Denkmal finden.