Luchse in Baden-Württemberg

Vorerst keine Auswilderung von Luchsen

Thomas Faltin
Lesezeit 6 Minuten
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05. Mai 2020
Toni ist der bisher fünfte Luchs im Südwesten, der mit einem Senderhalsband ausgestattet worden ist.

Toni ist der bisher fünfte Luchs im Südwesten, der mit einem Senderhalsband ausgestattet worden ist. ©Foto: FVA Freiburg

Forstminister Peter Hauk hat große Sympathien für ein Auswilderungsprojekt für Luchse. Doch die Landwirte sind skeptisch, und selbst die Naturschützer sind gespalten – das Vorhaben ist deshalb zurückgestellt.

Gernsbach/Stuttgart - Erst vor drei Wochen ist es bei Gernsbach im Nordschwarzwald wieder einmal gelungen, einen Luchs zu fangen und mit einem Sender zu versehen. Er hat von den Jägern, die die Patenschaft für das Tier übernommen haben, den Namen Toni erhalten. Zwei weitere Luchse dürften sich derzeit in Baden-Württemberg aufhalten, seit 2004 konnten insgesamt 13 verschiedene Individuen im Südwesten nachgewiesen werden. Alle waren Kuder, also männliche Tiere.

Doch leider gibt es gleich zwei schlechte Nachrichten für Toni und seine Artgenossen im Südwesten. Erstens: Weibliche Tiere wandern fast nie, weshalb die Kuder bei uns kaum je eine Partnerin finden können; von selbst wird sich hier wohl nie eine Population aufbauen. Im Pfälzer Wald ist genau deshalb im Juli 2016 mit der Auswilderung von 20 Tieren begonnen worden. Doch zu einem ähnlichen Projekt, und das ist die zweite schlechte Nachricht, wird es in Baden-Württemberg vorerst nicht kommen. Forstminister Peter Hauk (CDU) hat schon seit 2018 zwar nie öffentlich, aber doch intern mehrfach seine große Sympathie für ein Wiederansiedlungsprojekt bekundet. Auf Anfrage unserer Zeitung antwortete sein Ministerium auch jetzt: „Der Luchs ist eine der faszinierenden Wildtierarten im Land.“

Kosten für Auswilderung lägen bei bis zu 1,86 Millionen Euro

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg hatte deshalb schon vor einem Jahr im Auftrag des Ministeriums untersucht, welche Möglichkeiten man dem Luchs eröffnen könnte. Theoretisch böte das Land danach Raum für bis zu hundert Tiere. Drei Szenarien wurden näher geprüft. Erstens könnte alles so bleiben, wie es ist: Die natürliche Zuwanderung wird von der Landesregierung begrüßt; Unterstützung gibt es aber keine. Zweitens könnten vier Weibchen im Südschwarzwald ausgesetzt werden, um die Chancen auf Nachwuchs zu erhöhen. Die Kosten wurden mit 1,15 Millionen Euro errechnet. Drittens wäre ein richtiges Auswilderungsprojekt denkbar gewesen, bei dem acht Weibchen und vier Männchen freigelassen werden sollten. Kosten: 1,86 Millionen Euro.

Doch wie erst jetzt bekannt wurde, lautete die Entscheidung im vergangenen Jahr, vorerst nichts am Status quo zu ändern. Die Haltung der „Arbeitsgemeinschaft Luchs“, in der alle Interessenvertreter aus Landwirtschaft, Jagd und Naturschutz einen Sitz haben, spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Begründet hat das Ministerium diesen Beschluss jetzt damit, dass die Akzeptanz gegenüber dem Luchs erst noch wachsen müsse. Angesichts der Präsenz der ersten Wölfe im Südwesten wollte man die Bevölkerung nicht überfordern. Aus diesem Grund ist auch das Umweltministerium gegen eine Wiederansiedlung. Klar ist aber, dass vor allem der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband die Rückkehr des Luchses vehement ablehnt. Dass der Luchs ab und zu Schafe reiße, sei nicht das größte Problem, sagt dessen Sprecher Michael Nödl. Es gehe aber nicht, „dass man einfach eine wild lebende Tierart auf fremdem Grund und Boden auswildert“ – der Schwarzwald sei zumeist Privatwald. Zumal derzeit nicht sichergestellt sei, dass den Eigentümern dadurch keine neuen Auflagen bei der Nutzung ihres Waldes entstünden. Die Bauern seien schon über Gebühr belastet.

Erhard Jauch, der Hauptgeschäftsführer des Landesjagdverbands, betont, dass die Jäger nichts gegen Luchse hätten, die von selbst einwandern – aber einer Wiederansiedlung steht man ebenfalls skeptisch gegenüber. Mit dem Südwesten lasse sich das Projekt im Pfälzer Wald nicht vergleichen: Dort gebe es weniger Freiflächen und deshalb weniger Nutztiere, zudem gehöre der Forst zu 80 Prozent dem Staat.

Nabu: Geld darf nicht bei dringlicheren Projekten fehlen

Überraschend ist vor allem, dass selbst die Naturschützer gespalten sind. Es gibt viele Befürworter. Aber Johannes Enssle, der Vorsitzende des Nabu Baden-Württemberg, betont, dass man derzeit mit Artensterben und Klimawandel viel größere Herausforderungen zu bewältigen habe. Das Geld für ein Auswilderungsprojekt dürfe deshalb am Ende nicht für weitaus dringlichere Projekte fehlen. Er könnte sich als Kompromiss die Freilassung von wenigen Weibchen vorstellen. Der BUND befürwortet eine Wiederansiedlung ebenfalls nur, wenn alle Akteure zustimmen, wenn es eine wissenschaftliche Begleitung gibt und wenn die Mittel dafür nicht aus dem Naturschutzhaushalt entnommen werden. In der Pfalz wird das Projekt mit EU-Naturschutzgeldern finanziert.

Mittelfristig will Minister Peter Hauk neuen Anlauf machen

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Minister Hauk hat die Sache jedoch noch nicht aufgegeben. Er zeichnet ein positives Bild des Luchses: Diese Tiere seien völlig ungefährlich für den Menschen und erbeuteten fast nur Rehe und Gämsen. Laut den Zahlen der FVA haben Luchse in Deutschland jährlich 0,3 Nutztiere pro Luchs gerissen. Beim Wolf waren es 7,2. Hauk bleibt zuversichtlich: „Mittelfristiges Ziel des Ministeriums ist es, mit den Akteuren einen gemeinsam getragenen Weg zur Wiederansiedlung von Luchsen in Baden-Württemberg zu finden.“

Der Luchs in Deutschland und Europa

Nach den Monitoringzahlen zum 1. Mai 2019 leben in Deutschland laut dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) knapp 90 Luchse und etwa 50 Jungtiere. Hinzu kommen rund 40 zeitweilige Grenzgänger aus Tschechien. Von Einzeltieren abgesehen, gibt es Luchse nur in drei Gebieten: dem Harz, dem Bayerischen Wald und dem Pfälzer Wald. Insgesamt bleibe der „kritische Erhaltungszustand bestehen“, schreibt das BfN zur Situation des Luchses in Deutschland.

In den 1970er Jahren wurden einige Luchse halblegal im Bayerischen Wald ausgesetzt, in den 1980er Jahren hatte Tschechien ein Wiederansiedlungsprojekt mit 17 Tieren gestartet. Zum 1. Mai 2019 wurden 32 erwachsene Luchse und 17 Jungtiere gezählt.

Im Harz
wurden in den Nullerjahren dieses Jahrtausends zwei Dutzend Luchse ausgewildert. Derzeit geht man von 25 erwachsenen Tieren und 18 Jungtieren aus.

Seit 2016 wurden im Pfälzer Wald
20 Wildfänge aus der Schweiz und der Slowakei ausgesetzt. Fünf Mal konnte bisher Nachwuchs registriert werden, vier erwachsene Tiere sind nachweislich verunglückt oder eines natürlichen Todes gestorben. 2019 zählte das BfN 18 erwachsene Luchse und drei Jungtiere.

Der Bestand in Europa wurde von der „Large Carnivore Initiative for Europe“ im Jahr 2016 auf 8000 bis 9000 Tiere geschätzt. Die größte Population besteht in Skandinavien mit etwa 4300 Tieren. Es folgen trotz deutlich kleinerer Fläche auch große Bestände in den Karpaten mit mehr als 2000 Tieren und in den baltischen Staaten mit bis zu 1500 Tieren.

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