Was ist ein Spitzenkandidat?
Im Spitzenkandidaten verdichtet sich sozusagen das Angebot einer Partei an den Wähler. Entsprechend groß sind Verantwortung und Fallhöhe. Mit welchen Spitzenkandidaten gehen die Parteien ins Rennen?
Stuttgart - Eine Spitzenkandidatin oder ein Spitzenkandidat führt eine Partei in den Wahlkampf und ist somit ihre wichtigste Persönlichkeit.
Trotzdem sucht man diesen Titel in der Verfassung und im Wahlgesetz vergeblich. Er bezeichnet nämlich kein Amt und keine staatliche Funktion, er ist vielmehr ein Marketinginstrument in der politischen Auseinandersetzung. Im Spitzenkandidaten verdichtet sich sozusagen das Angebot einer Partei an den Wähler.
Landespolitiker sind vielen unbekannt
Warum wird der Wahlkampf derart personalisiert? Weil selbst durchschnittlich an Politik interessierte Menschen im politischen Trubel leicht den Überblick verlieren. Wer Passanten auf der Straße fragt, ob sie den Namen einer Ministerin oder eines Abgeordneten kennen, wird meist verlegenes Schweigen ernten.
Das landespolitische Personal ist den Menschen ohnehin nicht so geläufig wie die bundespolitischen Protagonisten in Berlin. Und Parteiprogramme – nun ja, die sind etwas für Feinschmecker. Davon gibt es nicht allzu viele.
Die menschliche Ebene
Spitzenkandidaten ziehen die Politik also auf eine menschliche Ebene. Die Verantwortung, die auf ihnen lastet, ist entsprechend groß. Das gilt auch für die Fallhöhe: Haben sie bei der Wahl Erfolg, bestimmen sie auch weiterhin die Richtung ihrer Partei und bekleiden vielleicht sogar ein Regierungsamt. Bei einem krassen Misserfolg erwartet die Basis jedoch meist ihren Rückzug – zumindest bis in die zweite Reihe. Der Job des Spitzenkandidaten ist auch kein Erbhof, sondern er wird in jedem Wahlkampf neu vergeben.
Auch kleine Parteien, die nicht die Aussicht haben, den Regierungschef zu stellen, küren eine solche Galionsfigur. Manchmal stehen diese ohnehin schon an der Spitze – Andreas Stoch zum Beispiel von der SPD war schon vor seiner Wahl zum Spitzenkandidaten Partei- und Fraktionsvorsitzender. Die CDU andererseits hat diese drei Funktionen verteilt: Landesvorsitzender ist Thomas Strobl, Fraktionschef ist Wolfgang Reinhart und Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann. Letztere hatte sich im vergangenen Jahr mit Strobl auf diese Aufgabentrennung verständigt, nachdem dieser parteiintern zunehmend an Rückhalt für die eigentlich geplante Spitzenkandidatur verloren hatte.
AfD tritt wohl mit Duo an
Die FDP wiederum setzt für die Landtagswahl 2021 ganz auf ihren Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Für die AfD könnten Landtagsfraktionschef Bernd Gögel und sein Vize Emil Sänze als Tandem antreten. Dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Grünen in den Wahlkampf führen wird, steht seit dem 12. Dezember fest.
Auch Kanzlerkandidaten sind übrigens Spitzenkandidaten. Mit diesem Begriff verbindet sich jedoch der Anspruch, tatsächlich eine neue Bundesregierung zu führen. Als die FDP im Jahr 2002 ihren damaligen Vorsitzenden Guido Westerwelle zum Kanzlerkandidaten nominierte, trug ihr das viel Spott ein, denn man wertete dies als krasse Selbstüberschätzung.