Weitere Erkenntnisse zu den Mannheimer Terrorbeschuldigten
Seinen 15. Geburtstag hatte sich Issa el-O. wohl anders vorgestellt: Einen Tag, nachdem ihn in seiner Wohnung in der Mannheimer Innenstadt Polizisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Baden-Württemberg als mutmaßlichen IS-Terroristen überwältigt hatten, wurde er zum Festtag zusammen mit seinem Bruder Ibrahim einem Haftrichter in Karlsruhe vorgeführt. Der würdigte die bisher vorliegenden Ermittlungen der Kriminalen in den Landeskriminalämtern Baden-Württemberg und Hessen sowie beim Polizeipräsidium Mannheim als so plausibel, dass er für das Duo Untersuchungshaft anordnete.
Hinweis aus Hessen
Beide sind der Polizei wegen zahlreicher Eigentums- und Gewaltdelikte bestens bekannt – wie auch den Staatsschützern im Bereich der religiösen Ideologie. Kein Wunder: Seit Wochen ermittelten in Hessen und Baden-Württemberg die Kriminalisten verdeckt gegen das Duo, als durch einen Hinweis in Hessen bekannt wurde, dass die beiden ein Sturmgewehr samt scharfer Munition kaufen wollten. Nach Recherchen unser Zeitung wurde das Brüderpaar nach Erkenntnissen der Ermittler bei dem Deutsch-Türken Yahya E. in Wehrheim im Hochtaunuskreis fündig.
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung durch ein hessisches SEK wurden ein halbautomatisches Sturmgewehr SIG 550 Remington sowie 80 scharfe Schuss Munition gefunden. Das Gewehr wird in einer geringfügig anderen Militärversion in der Schweiz als Standardwaffe in den Streitkräften verwendet. Augenscheinlich war die in Wehrheim beschlagnahmte Waffe die, die die beiden el-O.s zuvor bei E. geordert hatten.
Auf Ermittlungen bei Terrorismusdelikten spezialisierte Karlsruher Staatsanwälte erwirkten bei Gerichten Dutzende Überwachungs- und andere Beschlüsse – unter ihnen auch vier Durchsuchungsbeschlüsse beim Amtsgericht Karlsruhe.
Als Polizisten am vergangenen Wochenende feststellten, dass sich Ibrahim el-O.s psychisches Verhalten veränderte, schlossen die Beamten nicht mehr aus, dass das Duo nach Wehrheim fahren könnte, um Waffe und Munition zu holen und einen Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Mannheim oder Frankfurt am Main zu verüben. Daraufhin entschlossen sich die Polizeiführer, die vorliegenden vier Durchsuchungsbeschlüsse der Karlsruher Richter am vergangenen Sonntag zu vollstrecken.
In den drei zu durchsuchenden Objekten in Mannheim sowie in der Wertheimer Wohnung wurden die Ermittler fündig: Außer einer größeren Menge Falschgeld fanden sie zwei Macheten mit einer Klingenlänge von 50 Zentimetern, mehrere Messer, eine Militärweste mit einem arabischen Schriftzug sowie verschiedene Pulver. Kriminaltechniker prüfen derzeit, ob diese dazu geeignet sind, daraus Spreng- und Knallkörper herzustellen. Zudem beschlagnahmten die Polizisten eine große Anzahl von Mobiltelefonen und Computern. Darüber hinaus das SIG-Gewehr und die scharfe Munition.
Ratgeber des „Islamischen Staates
Verheißung der 72 Huris verfangen in der Szene nicht mehr
Die Asservate passen zu dem, wozu der „Islamische Staat“ in einschlägigen Veröffentlichungen im Internet seine Anhänger anleitet: sich als Einzeltäter oder in kleinen Gruppen zu bewaffnen, möglichst gleichzeitig in einer Stadt an verschiedenen Orten weiche Ziele, also Ansammlungen von Menschen, anzugreifen. So viele wie möglich zu töten oder zu verletzen – und unerkannt zu fliehen. Bei den Beschuldigten fand sich auch eine Sturmhaube.
Die Verheißungen der Sunna, die vom Propheten eingeführten und bestätigten Traditionen, verfangen offenbar in der islamistischen Szene nicht. Nach der Hadith 1663 sind demjenigen, der einen Märtyrer-Tod stirbt, „sechs Dinge garantiert“: Ihm werden unter anderem seine Sünden vergeben, er wird im Moment des Todes seinen Ort im Paradies sehen und ihm wird eine Krone der Würde aufgesetzt. Zudem: „Er wird mit 72 Huris verheiratet“. Huris kann auch mit Jungfrauen übersetzt werden.