DHB-"Vize" Bob Hanning: „Das WM-Viertelfinale wäre okay“

Bob Hanning beendet noch in diesem Jahr seine Tätigkeit als DHB-Vizepräsident. ©dpa
Weder Pandemie-Stress noch Infektionsrisiko oder die durch neun Absagen geschwächte Nationalmannschaft beirren Bob Hanning (52) vor der am Mittwoch in Ägypten beginnenden Handball-Weltmeisterschaft. „Ein Leuchtturm unserer Sportart sein“, ist das eine Ziel des DHB-Vizepräsidenten. Das andere lautet: „Viertelfinale bei der WM und im Sommer eine olympische Medaille.“ Danach hört er beim Verband auf.
Können Sie sich auf die WM freuen?
Ja – und dass hoffentlich der Sport im Mittelpunkt steht.
Was sagen Sie den vielen Menschen, in deren Augen eine WM mit 32 Ländern mitten in der Pandemie keinen Sinn macht?
Ich habe für jede Sichtweise Verständnis. Und wenn die Sorge ehrlich gemeint ist, kann ich die Kritiker auch verstehen. Ich glaube, dass die positiven Elemente überwiegen.
Was hätte ein WM-Verzicht für den DHB finanziell bedeutet?
Es geht nicht ausschließlich darum. Der DHB hätte das rein wirtschaftlich aufgrund der herausragenden Arbeit der letzten Jahre wegstecken können.
Wie beurteilen Sie das Hygiene-Konzept in Ägypten?
DHB und Liga haben sich eingebracht. Wir werden sehen, ob nachzujustieren ist. Ich glaube an eine gute WM.
Nachdem die Kapitäne aller Teilnehmer protestiert haben, sind nun doch keine Zuschauer zugelassen. Wie ist Ihr Standpunkt?
Meine Meinung ist klar: Die Füchse Berlin haben mit Alba, Volleys und Eisbären für die zwei großen Berliner Hallen ein Hygienekonzept entwickelt, das der Senat als herausragend bewertete. Doch dann kam man zu der Erkenntnis, dass nicht die Hygiene das Thema ist, sondern die Außenwirkung. Das haben wir akzeptiert. Wenn morgen unsere Regierung sagen würde, 30 Prozent Zuschauer-Auslastung sind erlaubt, würden alle Bundesligisten öffnen. Wenn nun Ägypten eine andere Herangehensweise gehabt hätte, hätte ich das nicht verurteilt, wenn wir es selbst machen würden.
Wie oft wird getestet?
Mehrfach die Woche. Was nicht heißt, dass es keine Infektionen geben wird. Die Gefahr, wenn am 18. Januar die Kitas wieder öffnen, ist viel größer als in einer Blase Handball zu spielen. Wir müssen das Risiko maximal minimieren.
Schlafen die Spieler in Einzelzimmern?
Nein, in Doppelzimmern. Aber das ist egal, wenn man in einer Blase lebt.
Und falls doch einer positiv getestet wird, steht ein Charterflugzeug bereit?
Der DHB hat eine entsprechende Versicherung abgeschlossen.
Wienczek, Pekeler, Weinhold und Lemke haben aus Sorge um Familie und Gesundheit verzichtet. Torwart Wolff kritisiert das scharf, was wiederum nicht allen Spielern gefällt. Fürchten Sie ums Binnenklima?
Sie verstehen sich sehr gut und man muss nicht immer gleicher Meinung sein, um Großartiges zusammen zu leisten. Wolff hat seine klare Meinung. Pekeler, Wienczek und Weinhold haben sich anders entschieden. Das muss man akzeptieren.
Hinzu kommen die Absagen von Wiede, Suton, Kohlbacher und Semper wegen Verletzungen. Nie ging ein deutsches Team derart geschwächt in so ein Turnier. Wie lautet das Minimalziel?
Ganz ehrlich: Ich finde die Situation gar nicht schlecht.Mein Vorschlag war schon lange, nicht mit allen Spielern zur WM zu fahren. Denn ich lebe immer noch meinen Traum von der olympischen Medaille. Bei der WM kann die junge Generation um Michalczik, Knorr und Golla zeigen, was sie drauf hat. Und nach der WM schauen wir, wer sich durchgesetzt hat und fliegen mit der bestmöglichen Mischung nach Tokio. Gleichzeitig weiß ich, dass es schwierig wird bei der WM. Wir sollten die Hauptrunde erreichen und dort mindestens ein Endspiel um den Einzug ins Viertelfinale hinkriegen. Stand heute wäre ich mit dem Viertelfinale zufrieden.
Der neue Trainer Alfred Gislason gilt weltweit als einer der Besten. Was kann er in so einer Situation bewegen?
Das Plus liegt darin, dass er Lebenserfahrung und Routine hat, dass das den Spielern Halt gibt und sie daran glauben.
Ganz krass ist es in der Abwehr und am Kreis.
Mit Johannes Golla sehe ich am Kreis keine Baustelle. In der Abwehr muss sich die Mannschaft finden und man wird sehen, was die Jungs mit Leidenschaft lösen können.
Ist die Situation bei der Konkurrenz ähnlich schwierig wie beim DHB-Team?
Ich kenne keinen Weltklassespieler anderer Länder, der nicht bei der WM spielt.
Die Belastung der Nationalspieler war immer krass, jetzt wirkt sie unmenschlich: Die WM, dann 38 statt 34 Bundesliga-Spiele; direkt vor der WM gab es das Final 4 der Champions League mit dem Kieler Triumph und dann noch zwei EM-Qualifikationsspiele gegen Österreich. Falls die Pandemie es zulässt, soll im Sommer auch noch Olympia nachgeholt werden.
Das geht nur mit viel Vernunft und Verantwortung der Vereine.
Wie sieht Ihr persönlicher Fahrplan für 2021 aus?
Mein letztes Turnier beim DHB wird Olympia. Ansonsten warten viele Aufgaben bei den Füchsen. Und ich werde das tun, wovon ich immer geträumt habe – mir ein Haus am See nahe Berlin zulegen.
Auf was für Outfits dürfen wir uns in Ägypten freuen?
Das hängt vom Wetter ab. Allerdings hat der Lockdown meine Einkaufspolitik beeinträchtigt.
Bob Hanning
Alter: 52.
Geboren: Essen.
Beruf: Geschäftsführer des Handball-Bundesligisten Füchse Berlin.
Karriere als Trainer: TV Cronenberg, TuSEM Essen (Co-Trainer und A-Jugend), SG Solingen, Co-Trainer der Nationalmannschaft, HC Wuppertal, SG Willstätt/Schutterwald, HSV Hamburg, Füchse Berlin (A-Jugend und B-Jugend).
Erfolge als Trainer: Aufstiege in alle Ligen (Verbandsliga bis Bundesliga); DHB-Supercup mit dem HSV Hamburg; Deutscher A-Jugedmeister, deutscher B-Jugendmeister.
Funktionärstätigkeit: Vizepräsident Leistungssport beim Deutschen Handball-Bund (seit 2013); Prädsident des Berliner Handball-Verbandes.
Erfolge als Funktionär: Final 4 der Champions League mit den Füchsen Berlin, Europameister 2016 mit der Nationalmannschaft.
Ehrungen: Verdienstorden des Landes Berlin.
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