Helmut Schmid/Erich Quarti: Aus der Sporthalle in die Reben
Wenn am Mittwoch nach der letzten Unterrichtsstunde der Gong Tausende Offenburger Schüler in sechseinhalb Wochen Sommerferien entlässt, können die Sportlehrer Helmut Schmid (66) vom Schiller-Gymnasium und Erich Quarti (64) von der Theodor-Heuss-Realschule über die eigentlich längste unterrichtsfreie Zeit im Verlaufe eines Schuljahres nur schmunzeln. Denn für die beiden Freunde und Nachbarn aus Fessenbach, die nicht nur in ihren Hauptsportarten Volleyball (Schmid) und Handball (Quarti) im Offenburger Schulsport vieles bewegt haben, läutet der Gong zugleich einen neuen Lebensabschnitt ein. Denn die beiden Hobby-Winzer und Alpen-Liebhaber gehen in den wohlverdienten Ruhestand. Im Interview mit der Mittelbadischen Presse blicken beide auf ihre knapp 40-jährige Laufbahn zurück, berichten von Höhepunkten, Talenten, Projekten, Hindernissen und dem Wandel des Schulsports.
Es gibt den Spruch: »Die schlechtesten Schüler werden die besten Lehrer.« Trifft das auf Sie beide zu?
Helmut Schmid: Ich war kein guter Schüler. Das lag sicher auch daran, dass ich viel zu viel Zeit in der Turnhalle verbracht habe.
Erich Quarti: Ich bin immer ganz ordentlich durchgekommen und war in den Fächern gut, die mir Spaß gemacht haben. Und dazu zählte natürlich auch der Sport.
Wie haben Sie ihre Leidenschaft für den Sport entdeckt?
Quarti: Als gebürtiger Schutterwälder hatte ich die Wahl zwischen Musikverein, Fußball, Tischtennis oder Handball. Ich hab mich für den Handball entscheiden, wo ich meine Clique hatte, deutscher Jugendmeister wurde und später zum Bundesliga-Spieler gereift bin.
Schmid: Übers Kinderturnen bin ich zum Kunstturnen gekommen, was ich später in Ludwigsburg dann auch leistungsmäßig betrieben habe. Meine Liebe zum Volleyball hab ich erst später im Turnverein entdeckt, bevor ich 1985 bei der Gründung des VC Offenburg im Vorstand saß.
Allerdings wird nicht jeder leidenschaftliche Sportler auch Sportlehrer. Wie kam es dazu?
Schmid: Ich hatte im Turnen viele Trainer, die Sportlehrer waren – das waren immer auch Vorbilder. Nachdem mein zweites Fach Französisch an der Uni Freiburg nach vier Semestern am Latinum gescheitert ist, bin ich nach Basel gewechselt, wo man auch nur Sport auf Lehramt studieren konnte.
Quarti: Ich wollte schon immer Sport studieren und habe mich dann als ehemaliger Schüler des Wirtschaftsgymnasiums für Mathe als zweites Fach entschieden. Das konnte ich an der PH Freiburg auch ganz gut mit dem Handball verbinden, mit dem ich mir mein Studium finanziert habe.
Viele sehen das anders, aber warum ist der Schulsport so wichtig?
Schmid: Die Bedeutung hat sich Gott sei Dank gefestigt und gestärkt, immerhin stand dieses Fach jahrelang in der Diskussion. Doch mittlerweile hat die Wissenschaft belegt, dass Bewegung das Lernen an sich fördert. Denn der gravierende Bewegungsmangel in unserer Gesellschaft fängt in der Schule an – gerade in der Grundschule besteht hier Nachholbedarf. Für viele Kinder ist die Schule der einzige Ort, an dem sie sich sportlich betätigen. Die Schere zwischen den Sport-Treibenden und den Nicht-Sportlern geht immer weiter auseinander. Wir müssen die Kinder in Bewegung bringen, im Idealfall gefällt es ihnen dann sogar.
Ist das in Zeiten, in denen das Freizeitangebot immer größer und die Freizeit immer weniger wird, noch bedeutender?
Quarti: Natürlich, denn gerade in Zeiten von Ganztagsschulen gibt es kaum noch Raum für AG’s. Zwar gab es Ideen und Pläne, mehr Sport in das System Ganztagsschule zu integrieren, aber an der Umsetzung fehlt es komplett.
Wäre ein Schulsport-System wie in den USA, wo der Sport eine zentrale Bedeutung hat und Aushängeschild der Highschools ist, nicht auch ein Modell für Deutschland?
Schmid: Nein, denn den Schülern aus den USA fehlen auf der anderen Seite häufig die Vielseitigkeit und die koordinativen Grundfähigkeiten. Dort wird extrem früh spezialisiert und zu einseitig gefördert.
Wie hat sich der Schulsport in Deutschland in Ihrer Ära gewandelt?
Schmid: Relativ wenig, es dominieren nach wie vor die klassischen Sportarten wie Turnen, Schwimmen, Leichtathletik und die Ballspiele. Allerdings wurden die Anforderungen eher heruntergeschraubt.
Quarti: Trendsportarten tauschen zwar zunehmend im Bildungsplan auf, aber wie soll ich mit 25 bis 30 Kindern an die Kletterwand gehen oder eine Mountainbiketour machen? Auch deshalb haben wir Neigungsgruppen eingeführt, in denen sich die Schüler für gewisse Disziplinen entscheiden.
Sie sind in knapp 40 Jahren sicher zahlreichen Talenten an ihren Schulen begegnet. Wer fällt Ihnen spontan ein?
Schmid: Neben Speerwurf-Weltmeisterin Christina Obergföll haben unter anderem die Beachvolleyballer Marvin Klass (Weltmeister U19) und Fabian Schmid (WM-Bronze U21) sowie Handball-Bundesligaspieler Moritz Schade das Schiller besucht.
Quarti: Die ehemaligen Handball-Nationalspieler Peter Quarti und Oliver Roggisch waren an der Theodor-Heuss-Realschule, aus der Kooperation mit dem Oken-Gymnasium sind unter anderem Talente wir Peter und Moritz Strosack oder Alica Burgert hervorgegangen.
Sie haben vieles bewegt. Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
Schmid: Da ist zum einen die Einführung des Sport-LKs 1982 und der Volleyball-Förderklasse 1994. Besonders am Herzen liegt mir die Schüler-Olympiade seit 1988, die ein einmaliges Gemeinschaftsprodukt vieler ist und auch weiter bestehen wird.
Quarti: Besonders toll hat sich die Zusammenarbeit mit dem Oken-Gymnasium ab 2001 entwickelt, mit dem wir ein regionales Spitzensportzentrum für Handball-Talente aus der Region aufgebaut haben.
Was wird Ihnen an der Schule fehlen?
Schmid: Die Kinder, die gerne zum Sportunterricht kommen, und deren Bewegungsdrang.
Quarti: Der Zugang zu den Schülern über den Sport ist etwas ganz Besonderes. In Mathe ist das schwieriger. Außerdem werde ich die Gespräche mit den Kollegen vermissen.
Und wie verbringen Sie Ihre neu gewonnene Freizeit?
Schmid/Quarti: Erst mal zieht es uns in die Berge in die Schweiz (Schmid) und nach Österreich (Quarti) zum Wandern. Außerdem haben wir seit zwölf Jahren einen gemeinsamen kleinen Weinberg, der unseren Eigenbedarf an Spätburgunder locker deckt.
Helmut Schmid
Geburtstag: 26.01.1951
Geburtsort: Leipheim (Donau)
Wohnort: Offenburg-Fessenbach
Familienstand: verheiratet mit Jutta, zwei Kinder, (noch) keine Enkel
Beruf: Lehrer (seit 1980)
Fach: Sport
Studium: Uni Freiburg, Uni Basel
Schule: Schiller-Gymnasium Offenburg
Sportarten: Volleyball, Turnen
Erfolge als Sportler – Turnen: Deutscher Jugend-Mannschaftsmeister 1966, württembergischer Meister im Jahn-Neunkampf – Volleyball: Landesliga-Spieler, Teilnahme an deutschen Seniorenmeisterschaften
Erfolge als Lehrer/Trainer: 20 x Bundesfinale Berlin (3 x Leichtathletik, 14 x Hallenvolleyball/2. und 3. Platz, 3 x Beachvolleyball)
Weitere Projekte/Ämter: u.a. Gründungsmitglied VC Offenburg (1985) und Sportkreis Offenburg, Einführung Sport-LK am Schiller (1982), Kooperation Schule-Verein (ab 1987), Volleyball-Förderklasse (ab 1994), Organisation Schülerolympiade (ab 1988), Sportlehrerfortbildung (2002 bis 2008).
Erich Quarti
Geburtstag: 13.04.1953
Geburtsort: Schutterwald
Wohnort: Offenburg-Fessenbach
Familienstand: verheiratet mit Martina, drei Kinder, eine Enkeltochter
Beruf: Lehrer (seit 1978)
Fächer: Sport, Mathematik
Studium: PH Freiburg
Schule: Theodor-Heuss-Realschule Offenburg (THR)
Sportart: Handball
Erfolge als Sportler: Deutscher Jugendmeister Halle und Feld mit dem TuS Schutterwald, drei Jahre 1. Bundesliga mit dem TuS Hofweier (deutscher Vizemeister (1979)
Erfolge als Lehrer/Trainer: 2 x Bundesfinale mit der THR (4. Platz 1982/1. Platz 1984), mehrere Teilnahmen am Bundesfinale in Kooperation mit dem Oken-Gymnasium
Weitere Projekte/Ämter: u.a. Kooperation mit Oken-Gymnasium (Aufbau regionales Spitzensportzentrum Handball), Handball-Trainings (mit Stars wie Emrich, Heuberger, Schwarzer), Mitwirken bei Gestaltung und Umsetzung eines neuen Bildungsplans, Projekt mit Hansjakobschule, Special Olympics.