Konstantin Poltrum will ein neues Kapitel schreiben
Mit der Erfahrung von inzwischen 36 Erstliga-Partien und 237 Duellen in der 2. Bundesliga möchte der U19-WM-Bronzemedaillengewinner nun ein neues Kapitel mit der HSG Kosntanz schreiben. Zudem arbeitet der 30-Jährige gerade an seinem Master of Education in Biologie und Politik.
Im Interview spricht der gebürtige Mittelhesse über das Heimspiel Sonntag, 17 Uhr, in der Schänzle-Hölle gegen den letztjährigen Vizemeister TuS Fürstenfeldbruck (www.hsgkonstanz.de/tickets), Eigenverantwortung und Weiterentwicklung des Systems, fünf prägende Monate in Südamerika und die besondere Unterstützung der Fans.
Konsti, die ersten turbulenten Wochen in Konstanz liegen nach deiner Rückkehr hinter dir. Wie hast du diese erlebt?
Ich bin gut reingekommen und fühle mich gut angekommen. Die Einstellung im Training ist sehr gut. Es bewegt sich einiges in der Mannschaft.
Welche Bewegungen nimmst du wahr?
Wir versuchen, uns auf dem Spielfeld stark weiterzuentwickeln und alte Marotten abzulegen. Das ist ein langsamer Prozess und wir nicht ad hoc besser. Das ist mal besser, in einem anderen Spiel sind es dafür andere Dinge, die uns besser gelingen. Wir gewinnen mehr Stabilität in der Abwehr – was ich gut finde. Priorität sollte sein, dass wir auf dieser Grundlage unser Spiel eröffnen.
Konntest du selbst schnell wieder die Abläufe adaptieren und dich einfügen?
Das ist nicht neu für mich. Ich spüre aber auch, dass ich noch nicht dort bin, wo ich gerne wäre und schon einmal war. Gerade im Timing baucht es noch Wiederholungen. Dennoch komme ich gut rein, fühle mich körperlich gut und kann schmerzfrei spielen, was in den letzten Jahren nicht immer der Fall war. Das ist wichtig.
Head Coach Jörg Lützelberger nimmt deine Erfahrung als sehr positiv für die ganze Mannschaft war. Er sprach davon, dass du immer wieder an die Eigenverantwortung appellierst. Was genau ist damit gemeint?
Es gibt mehrere Ebenen, wie man Verantwortung übernehmen kann. Wir haben gute Jungs, die alle talentiert und superjung sind, unbedingt wollen und verstehen uns gut. Sie machen es in Sachen individuelle Weiterentwicklung richtig gut. Das ist wichtig für das Team – außerdem muss jeder im Training und Spiel Verantwortung für die Mannschaft übernehmen und daran arbeiten, unser System weiterzuentwickeln. Das ist ein Prozess – wird sind aber auf einem guten Weg. Weil ich hier Potenzial sehe, fordere ich das immer wieder ein.
Potenzial, das noch nicht voll ausgeschöpft wurde?
Natürlich stehen wir aktuell auf dem Platz an der Sonne und einem Platz für die Aufstiegsspiele. Es kommen jedoch noch Gegner auf Augenhöhe oder besser, spätestens in den Entscheidungsspielen. Wir müssen unsere Sachen gut machen. Wenn sich jeder ein, zwei Fehler erlaubt, ist das zu viel. Wir haben das Privileg, die Zeit zu haben, daran arbeiten zu können. Wenn wir unser System weiterentwickeln, ist das zwar keine Garantie für den Aufstieg, es erhöht jedoch unsere Chancen.
Du bist nach deiner Zeit von 2015 bis 2018 bei der HSG menschlich gereift. Was hat sich verändert?
Der Abstand vom Handball hat mir gutgetan. Zuvor habe ich von der Professionalität in Coburg und Bietigheim profitiert. Gerade in Sachen Fokus und was ich benötige, um Leistung zu bringen. Über die Jahre wird man älter und ich befinde mich nun in meiner elften Saison im Herren-Leistungssport. Man wird ruhiger und es hat mir gutgetan, etwas Distanz zum Handball und seiner Emotionalität aufzubauen. Dani Eblen hat uns nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga einen Satz mitgegeben, an den ich mich immer noch erinnere: Wir sollten uns selbst nicht zu wichtig nehmen. Diese Demut ist wichtig.
Vor allem die fünf Monate in Südamerika haben einen bleibenden Eindruck bei dir hinterlassen. Konntest du diese schon verarbeiten und für dich eruieren, was du daraus mitnehmen konntest?
Die Reise hat meine Wahrnehmung gestärkt, wie groß die Welt und wie klein ich bin. Es waren Sachen, die man hautnah erleben muss, wie lange es dauert, sich durch einen Regenwald zu kämpfen, wie vielfältig die Natur und Kulturen sind. Diese Unterschiede schätze ich. Der Umgang mit Stress beispielsweise ist in Südamerika ein anderer als in Deutschland. Aus meiner Wahrnehmung gibt es dort einen anderen Blick auf die Arbeit, das Leben – und Stressempfinden. Das hängt viel von der Gesellschaft und deren Erwartungen, aber auch jenen an sich selbst zusammen. Die Menschen sind dort näher dran an ihren Bedürfnissen, den schönen Dingen des Lebens und was ihnen guttut. Das hat mir geholfen, Dinge besser einordnen zu können und sich selbst und die Situation nicht zu ernst zu sehen.
Von den großen Themen zu den kleineren, die uns jedoch am Sonntag, 17 Uhr, im Heimspiel gegen den letztjährigen Vizemeister TuS Fürstenfeldbruck beschäftigen. Was kommt auf euch zu?
Ich kenne die Spieler Benedikt Kellner und Jonas Link, mit dem ich in Bietigheim zusammengespielt habe. Die beiden würden sicher auch in einem Zweitligateam in der ersten Sieben stehen. Fürstenfeldbruck hat Qualität und ist ein echter Brocken. Es zählt jedoch, dass wir unsere Sachen gut machen und wir weg davon kommen auf den Gegner oder nur das Ergebnis zu sehen. Zuhause mit unseren Fans wollen wir ein gutes Spiel machen. Es hat einen Grund, warum wir oben stehen. Das ist nicht nur Zufall. Wir sind in der glücklichen Situation, nicht auf einen schlechten Tag des Gegners hoffen zu müssen, sondern müssen zusehen selbst unsere Leistung zu bringen.
Wie hast du Reaktionen der HSG-Fans nach deiner Rückkehr wahrgenommen?
Ohne die über 100 HSG-Fans wäre das Derby in Balingen bei weitem nicht so stimmungsvoll gewesen. Dass eine Auswärtsmannschaft so getragen wird, ist schon etwas Besonders. Es gibt wenige andere Clubs in der dritten oder zweiten Liga, die diese Unterstützung erfahren. Ich bin super begeistert. In Konstanz kann ich auch wieder mit meiner Frau zusammenleben, aber vor solch einem Publikum zu spielen, empfinde ich als Privileg. Es fühlt sich super besonders und so an, als wäre ich nie weggewesen. Dennoch möchte ich ein neues Kapitel schreiben und freue mich darauf. Ich bin mir der Verantwortung bewusst, dass wir als Mannschaft für diesen Rückhalt etwas zu leisten haben.