Interview mit Markus Baur zur Handball-EM

„Jogi Bitter ist ein Glücksfall für das Team“

Jürgen Frey
Lesezeit 6 Minuten
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21. Januar 2020
Markus Baur, Handball-Weltmeister von 2007, arbeitete mit Jogi Bitter (li.) beim TVB Stuttgart zusammen.

Markus Baur, Handball-Weltmeister von 2007, arbeitete mit Jogi Bitter (li.) beim TVB Stuttgart zusammen. ©Foto:  

Die Handball-Nationalmannschaft hat mit dem Kantersieg gegen Österreich die richtige Reaktion gezeigt. Der Ex-Weltmeister Markus Baur spricht über die Vorzüge und Problemzonen im Team.

Wien - Die deutschen Handballer spielen am Samstag (16 Uhr) bei der EM um Platz fünf. Dennoch will der Ex-Weltmeister Markus Baur im Interview mit unserer Redaktion noch nicht in Euphorie verfallen.

Herr Baur, Sie sind hier in Wien als ZDF-Co-Kommentator. Hatten Sie nach der Gala von „Jogi“ Bitter schon Kontakt mit ihm?

Nein, ich habe es leider nicht geschafft, ihn zu treffen.

Was sagen Sie zu seiner Leistung beim 34:22 gegen Österreich?

Das war absolut überragend. Nach der zähen Anfangsphase hatte Jogi einen Riesenanteil daran, dass die Wende geschafft wurde und es ein rundum gelungener Abend wurde.

Ist er für Sie immer noch ein Weltklasse-Torhüter?

Einen Weltklasse-Torhüter zeichnet aus, dass er in den wichtigen Spielen da ist. Und genau das ist Jogi Bitter. Das war schon bei unserem WM-Triumph 2007 im Endspiel gegen Polen so, als er für den verletzten Henning Fritz zwischen die Pfosten kam, und das ist 2020 noch ganz genauso. Deshalb gehört er auch mit 37 Jahren immer noch zu den besten Torhütern der Welt.

Bitter gilt in der Mannschaft als Ruhepol, Gute-Laune-Bär und Kümmerer. Wie wichtig ist diese Rolle außerhalb des Feldes?

Jogi ist ein Glücksfall für dieses Team. Er hat die Sicherheit und weiß, was er kann. Dann lässt es sich auch leichter um andere kümmern.

Diskussion um Trainer unpassend

Hat er mit seinen Paraden dem Bundestrainer den Job gerettet?

Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass er nicht wegen des Trainers so gut gehalten hat.

Wie haben Sie die Diskussionen um Christian Prokop empfunden?

Ich finde es nicht passend, dass man während eines Turniers auf eine Person reinhaut. Man muss doch abwarten, was ganz am Ende herauskommt.

Das Ziel Halbfinale war aber schon nach dem 24:25 gegen Kroatien verpasst.

Stimmt, wir wollten ins Halbfinale. Doch wir haben gegen die beiden Teams verloren, gegen die man verlieren kann und gegen alle anderen gewonnen. Und das Team hat dann gegen Österreich gezeigt, dass es nach einer großen Enttäuschung bereit ist, wieder nach vorne zu streben.

In der Vorrunde waren die Leistungen zum Teil erschreckend schwach, dem Team fehlten vor eher tristen Kulissen wie in Trondheim die Emotionen. Muss die nicht ein Trainer wecken?

Erst einmal gewinnt man allein mit Emotionen keine Spiele. Aber klar sind nicht in jedem Spiel die Rahmenbedingungen gleich, nicht jedes Mal pusht einen ein brodelnder Hexenkessel. Dann muss man sich die Rahmenbedingungen schaffen. Emotionen gibt es nicht beim Frühstück, für die ist jeder Spieler selbst verantwortlich, der Trainer unterstützt dabei.

Stephans Recht auf Meinungsäußerung

Ihr Ex-Nationalmannschaftskollege Daniel Stephan hält Prokop nicht für den richtigen Bundestrainer. Wie sehen Sie diese immer wieder diskutierte Personalie?

Zunächst einmal ist es Daniels Recht, seine Meinung so zu äußern. Dennoch ist es Aufgabe der DHB-Führung dies zu analysieren und zu bewerten.

Offenbar hat sie das schon getan, Sportvorstand Axel Kromer hat Prokop eine Jobgarantie ausgesprochen.

Dann ist ja alles klar.

Dennoch gab es einige Situationen bei dieser EM, die das Thema hochkochen ließen.

Man sucht ja immer Dinge und das Ganze wird dann aufgebauscht. Wir haben fünf bis acht Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen, darunter auch im Handball viele Bundestrainer. Natürlich ist es nicht glücklich, wenn einem Trainer in der Auszeit der Name des Spielers nicht einfällt. Oder, wenn ein Torwart gut hält, aber dann nach der Halbzeit wieder auf der Bank sitzt.

DHB-Vizepräsident Bob Hanning hatte die Trainerdiskussion selbst angeheizt. Warum macht er das?

Keine Ahnung. Aber wenn Bob Hanning etwas macht, dann macht er es wohl überlegt und weil er etwas damit bezwecken will. Er wollte wahrscheinlich bewusst den Druck erhöhen und sehen, wie damit umgegangen wird.

Nächste Spiele sind wichtig

Dieser Test ist gegen Österreich gelungen. Würden Sie jetzt sagen, die Verbindung Trainer-Mannschaft ist krisensicher?

So weit würde ich nicht gehen. Das nächste Ergebnis ist noch nicht da. Erst einmal muss bei dieser EM der Aufwärtstrend noch zweimal im Spiel gegen Tschechien und im Spiel um Platz fünf bestätigt werden. Und dann steht mit dem Olympia-Qualifikationsturnier im April in Berlin die alles entscheidende Bewährungsprobe an. Die Vision hieß ja Olympiasieg 2020, wenn man dann nicht einmal dabei wäre, könnte man ja schlecht mit dem Trainer weitermachen.

Immer wieder kursiert der Name Alfred Gislason als Bundestrainer. Wäre er geeignet?

Diese Frage stellt sich nach dem aktuellen Statement nicht. Grundsätzlich passt Alfred aufgrund seiner Vita zu fast zu jedem Trainerjob auf diesem Planeten. Er ist derzeit frei, kennt die Bundesliga aus dem Effeff und bringt viel Erfahrung und Titel in seinem Handballleben mit.

Wie wichtig ist diese Aura des Erfolgreichen für das Standing und die Autorität in einer Mannschaft?

Es macht es schon leichter am Anfang. Aber die Spieler entwickeln dann schnell ein Gespür, ob es funktioniert oder nicht. Da spielt es dann keine Rolle, wie viele Länderspiele man auf dem Buckel hat oder wie viele Titel man gewonnen hat.

Wo sehen Sie das größte Steigerungspotenzial im deutschen Team?

Es fehlt an der individuellen Klasse, an einer gewissen Qualität in der Spitze. Das zeigt sich dann in einem engen Krimi wie gegen Kroatien. Wir haben keinen Domagoj Duvnjak, Sander Sagosen oder Mikkel Hansen, die in kritischen Phasen ein Spiel entscheiden.

Stuttgarts Schmidt als Beispiel

Die Breite allein reicht nicht.

Leider nein, wenn’s danach ginge, würden wir jedes Jahr den Titel holen. Nehmen Sie David Schmidt vom TVB Stuttgart. Er spielt als Neuling und eigentliche Nummer fünf auf seiner Position in Deutschland ein passables Turnier. Den fünften Linkshänder von Spanien wollen Sie lieber nicht sehen.

Wer könnte mit Blick auf das Olympia-Qualifikationsturnier noch ein Thema werden?

Vielleicht Martin Strobel, Steffen Weinhold oder Franz Semper. Dadurch würden wir sicher in der Breite noch stärker werden.

Sehen Sie denn einen Nachwuchsspieler, der in die Spitze vordringen kann?

Das ist schwer zu sagen. Rückraumspieler Sebastian Heymann (Anm. d. Red.: 21 Jahre/Frisch Auf Göppingen) bringt sicher viele Voraussetzungen mit, doch ihn werfen Verletzungen immer zurück. Spielmacher Juri Knorr (19/GWD Minden) kann auch einer werden. Er hat großes Selbstvertrauen und ein breites Repertoire an Fähigkeiten, war zuletzt aber auch verletzt.

Ihr Tipp: Wer holt den EM-Titel?

Trotz des Ausfalls von Magnus Röd wirkt Norwegen schon sehr stabil. Aber die Spanier machen einen sehr cleveren und geschlossenen Eindruck. Eines der beiden Teams macht das Rennen.

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