Handball-EM

Zwischen Favoritensterben und Aufstand der Kleinen

Jürgen Frey
Lesezeit 4 Minuten
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16. Januar 2020
Dänemarks Star Mikkel Hansen (links) und seine Mannschaft sind raus.

Dänemarks Star Mikkel Hansen (links) und seine Mannschaft sind raus. ©Foto: dpa/Petter Arvidson

Erst erlebte der Dauer-Champion Frankreich sein Waterloo, dann schied Weltmeister und Olympiasieger Dänemark aus. Gescheitert sind sie an Ungarn und Portugal – das ist kein Zufall mehr.

Wien - Jacob Bagersted hatte die Enttäuschung auch am Donnerstagmorgen noch nicht überwunden: „Das ist für ganz Dänemark ein Schock – und für die Spieler ein Tiefpunkt ihrer Karriere“, sagte der Kreisläufer von Frisch Auf Göppingen, der 32 Länderspiele für sein Heimatland absolviert hat, bei der EM aber nicht im dänischen Kader stand. Wie es zu dem Fiasko kommen konnte? Bagersted glaubt nicht, dass es am Druck lag, nach dem WM-Titel und dem Olympiasieg nun unbedingt mit dem EM-Triumph das Triple gewinnen zu wollen. Im Gegenteil: Vielleicht habe eine zu große Lockerheit geherrscht. Und als man merkte, dass es doch nicht so leicht wird, war es schon zu spät.

Dass so etwas in dem neuen EM-Format in einer schweren Vorrundengruppe, in der nur zwei von vier Teams weiterkommen, passieren kann, hatte zuvor auch schon Mitfavorit Frankreich erlebt. Beim Abo-Champion der vergangenen Jahre lag es weniger an der Einstellung als vielmehr am Umbruch im Team: Die Nachfolger der goldenen Generation um Nikola Karabatic präsentierten sich zu grün für den ganz großen Wurf.

Portugal profitiert vom Nachwuchs

Das hat auch damit zu tun, dass es auf der internationalen Bühne mittlerweile weitaus ausgeglichener zugeht – die Spitze ist breiter geworden. Paradebeispiel sind die Portugiesen. Ihr 28:25-Triumph bei dieser EM gegen Frankreich gehört nicht in die Kategorie Zufallssieg. Sie befinden sich schon länger auf der Überholspur. Bereits in der Qualifikation für die laufenden Titelkämpfe hatten die Portugiesen durch einen 33:27-Erfolg gegen Frankreich aufhorchen lassen. Woran der Aufschwung liegt? Zum einen an der exzellenten Nachwuchsarbeit. Bei den Weltmeisterschaften im Sommer 2019 gelang den Südeuropäern mit der U 19 und der U 20 der Sprung ins Halbfinale. In der Jugend wird sehr viel Wert auf die individuelle Ausbildung gelegt. Im Spielbetrieb wird bis zur C-Jugend Drei gegen Drei gespielt. Auffallend ist auch die überragende Athletik und Physis der Spieler um den Star Andre Gomes vom FC Porto.

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Entscheidend hinzu kommt: Das enorm gestiegene Niveau in der portugiesischen Liga wirkt sich positiv auf die Nationalmannschaft aus. Es herrscht dort zwar ein enormes Leistungsgefälle, aber Top-Clubs wie der FC Porto, Sporting Lissabon (beide Champions League) und Benfica Lissabon (EHF-Pokal) mischen auch international mit. Alle hängen am Tropf der Fußballclubs, die nebenbei auf den kleinen Bruder Handball setzen. Folge sind nicht nur gute finanzielle Möglichkeiten, sondern auch hervorragende Trainingsbedingungen sowie ein großer Stab an Mitarbeitern. „Ich wusste aus meiner Zeit als Junioren-Nationaltrainer in Schweden, dass es in Portugal viele junge Spieler mit Potenzial gibt, aber dass es so schnell nach vorne geht, damit hätte ich nicht gerechnet“, sagt Magnus Andersson. Der Coach des FC Porto, der mit Frisch Auf Göppingen 2016 und 2017 den EHF-Pokal gewann, blickt nun gespannt dem Duell Portugal gegen sein Heimatland Schweden an diesem Freitag (20.30 Uhr) entgegen.

Ungarn profitiert vom Staat

Die Stärke der Portugiesen kommt nicht unerwartet. Auch der Sprung von Slowenien (WM-Dritter 2017) in die Hauptrunde ist alles andere als eine große Überraschung, und Österreich profitierte in der Vorrunde nicht zuletzt vom Heimvorteil. Den sensationellsten Auftritt legt bisher allerdings Dänen-Schreck Ungarn aufs Parkett, die gemeinsam mit Island in die Hauptrunde einzogen. Ihnen fehlt bei dieser EM nicht nur ihr Weltstar Lazlo Nagy (Karriereende), das Team muss sogar weitere Ausfälle von Schlüsselspielern verkraften. Warum dennoch genügend gute Spieler im Kader stecken, liegt auch an der staatlichen Unterstützung für den Sport in der Heimat. Ein Co-Trainer in der zweiten Liga verdient in Ungarn mehr als ein Lehrer, wissen Branchenkenner.

Auch dieses Beispiel zeigt: die Professionalisierung im Handball in Europa schreitet vielerorts voran. Weitere Favoritenstürze sind deshalb durchaus denkbar.

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