Als Menschen nehmen wir die Welt im wesentlichen mit unseren Augen wahr – und wir bringen auch in der Sprache zum Ausdruck, wenn wir sagen, dass jemand “den Durchblick hat”, dass der oder die etwas besonders gut versteht. Wir sagen auch: ”Wie siehst Du das?” oder ”Da habe ich eine ganz andere Ansicht”, wenn wir eine andere Meinung haben.
Aber was bedeutet das eigentlich, wenn wir das wörtlich nehmen? Was wir von der Welt wahrnehmen, hängt tatsächlich davon ab, welche Information unsere Augen aufnehmen und unser Gehirn verarbeitet. Das bedeutet aber, dass man mit anderen Augen die Welt tatsächlich anders sieht.
Rot-Grün-Blind
Schon bei uns Menschen gibt es da Unterschiede. Während die meisten Menschen die Welt mit Hilfe von drei Sehpigmenten und drei Typen von Sehzellen, den Zapfen, Millionen von Farben sehen, fehlt acht Prozent der Männer (und etwa einem Prozent der Frauen) eines der Sehpigmente, was die Welt deutlich weniger bunt und Orange- und Grüntöne sehr ähnlich erscheinen lässt. Was wir beim Menschen als Rot-Grün-Blindheit bezeichnen, ist der Normalfall bei Katzen, Hunden, Meerschweinchen und Pferden. Das bunte Kaninchenfutter ist nur für uns Menschen so bunt, die Katze sieht die rosa Schleife vermutlich als dunkelgrün und der Stier wird nicht wegen der roten Farbe des Tuches wild, sondern wegen der wilden Bewegungen.
Mäuse sehen zwar einen Teil der ultravioletten Strahlung, aber die restlichen Farben als sehr blass, und Seehunde sind ebenso wie Wale und Delphine vollständig farbenblind. Und dasselbe gilt auch für etliche Nachttiere, für Regenwürmer und erstaunlicherweise sogar für Tintenfische.
Dagegen sehen andere Tiere die Welt in noch bunteren Farben als wir Menschen: Fast alle Vögel außer den Nachteulen sehen die Welt mithilfe von vier Sehpigmenten und Sehzell-Typen. Zu den Farben, die wir wahrnehmen, kommt noch ultraviolett als Farbe hinzu – schwer vorstellbar! Dasselbe gilt auch für den Goldfisch, für Eidechsen und viele Schmetterlinge und Libellen. Schmetterlinge und Honigbienen sehen also Blumen in ganz anderen Farben als wir.
Nicht nur in der Farbigkeit unterscheidet sich unsere Weltsicht von der der Tiere. Während wir mit beiden Augen nach vorne schauen, nach hinten blind sind und nur die Dinge, die wir fokussieren, scharf sehen, sehen viele Tiere nach den Seiten, können also mit dem rechten und dem linken Auge ganz woanders hinschauen und sogar sehen, wer von hinten kommt. Große Greifvögel wie Adler oder Geier sehen doppelt so scharf wie wir Menschen, während Hunde, Katzen und selbst Pferde weniger scharf sehen – von Mäusen oder Fröschen ganz zu schweigen.
Schnell fliegende Vögel wie Meisen oder Wanderfalken und Insekten wie Fliegen und Libellen sehen schneller als wir, was nicht nur beim Fliegen hilft, sondern auch beim Beutefang – und selbst nicht gefangen zu werden. Jeder weiß, wie schwer es ist, eine nervige Stubenfliege zu erlegen.
Und sind alle Katzen nachts wirklich grau? Für uns gilt das, wenn nur eine kleine Mondsichel oder die Sterne Licht spenden. Nachts können wir nur mit den Stäbchen, die lichtempfindlicher sind, noch etwas sehen – nicht sehr scharf und nicht so schnell und auch nicht in Farbe, aber besser als nichts. Aber es gibt auch Tiere, die noch nachts Farben sehen, wie Frösche, Kröten und Nacht-Geckos oder Nachtfalter und einige wenige nachtaktive Wildbienenarten.
Polarisiertes Licht
Viele Tiere – vor allem Insekten, Tintenfische und Krebse – können eine Eigenschaft des Lichtes sehen, die unseren Augen vollständig verborgen bleibt: die Polarisation des Lichtes. Wir nutzen sie aus bei Polarisations-Sonnenbrillen. Wasserinsekten können Wasserflächen erkennen, da das von der Oberfläche reflektierte Licht anders polarisiert ist als das Licht, das die umgebende Vegetation reflektiert. Das polarisierte Himmelslicht kann von Bienen sogar bei der Navigation zum Bienenstock und zu Blüten helfen.
Es lohnt sich, zu versuchen, die Welt einmal mit anderen Augen zu betrachten – die Veränderungen der Lebensräume vieler Tiere durch uns Menschen sehen für viele von ihnen vermutlich noch viel dramatischer aus als für uns.