Münster

Bauern wollen weg von Ferkel-Kastration: Verbot rückt näher

dpa
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
18. Oktober 2019
Ferkel in einer Box in einer Schweinezucht.

Ferkel in einer Box in einer Schweinezucht. ©dpa - Jens Büttner/zb/dpa

Millionen männliche Ferkel in Deutschland erleben wenige Tage nach ihrer Geburt eine schmerzhafte Operation: Sie werden ohne Betäubung kastriert.

Der von Tierschützern scharf kritisierte Eingriff ist aus Sicht der Bauern bisher nötig, weil das Fleisch einiger männlicher Schweine einen unangenehmen Geruch entwickelt, wenn die Tiere älter werden. Die Bauern suchen jedoch verstärkt nach Alternativen - weil die emotionale Debatte dem Image der Branche schadet und ein gesetzliches Verbot der betäubungslosen Eingriffe ab 2021 immer näher rückt.

Bisher gebe es keine befriedigende Lösung für den Ausstieg aus der Kastration, schrieben die nordwestdeutschen Sauenhalter vor kurzem in einem gemeinsamen Brief. «Wenn wir so weitermachen wie bisher, gibts uns in zehn Jahren nicht mehr», sagt der Geschäftsführer des größten deutschen Ferkelzuchtbetriebes LFD, Jörn Göbert, der Deutschen Presse-Agentur. «Dann ist Deutschland in Europa bald nicht mehr konkurrenzfähig, und unser Fleisch kommt aus unbekannten ausländischen Kanälen.»

Kein Geruch entwickeln

Wie Göberts Betrieb aus Sachsen-Anhalt wollen auch die Bauernverbände der großen Schweinezuchtländer wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam weg von der Kastration. Als «bessere Alternative» biete sich an, das Wachstum der Schweinehoden mit einer Immunbehandlung zu blockieren, so dass die Tiere bis zum Zeitpunkt der Schlachtung noch keinen Geruch entwickeln, sagte der Vize-Hauptgeschäftsführer des westfälisch-lippischen Bauernverbandes, Bernhard Schlindwein, in Münster. Das Fleisch dieser Tiere sei «aromatisch und nach Aussage von Vermarktern als Frischfleisch und für die Vermarktung geeignet». Daneben könne man Jungeber auch ohne Kastration mästen, übelriechende Tiere schlicht auszusortieren und in der Verarbeitung für andere Produkte verwenden.

- Anzeige -

Voraussetzung ist natürlich, dass die großen Lebensmittelkonzerne mitspielen, die das Fleisch abnehmen. Hier gebe es gute Signale aus der Industrie, sagt Schlindwein. So erklärte sich Kaufland - Teil der Lidl-Gruppe - Ende September bereit, das Fleisch immunbehandelter, also nicht kastrierter Schweine zu testen. Ähnliche Zusicherungen gebe es auch von Aldi und Rewe, sagt Schlindwein.

Die deutsche Schweinezucht schrumpft und konzentriert sich immer mehr auf große Höfe, zugleich geht die Gesamtzahl der Tiere zurück. Allein von November 2018 bis Mai 2019 mussten etwa in Nordrhein-Westfalen 190 Betriebe schließen; die Zahl sank auf gut 6800. Zugleich ging die Zahl der Schweine laut Statistischem Landesamt von knapp 7,4 Millionen Tieren Mitte 2014 auf gut 6,9 Millionen im Mai 2019 zurück. Bundesweit verringerte sich die Zahl der Ferkel und Jungschweine innerhalb von vier Jahren von 13,9 Millionen auf 13,1 Millionen in 2018.

Öffentlicher Streit

Göbert zufolge liegt das nicht nur am öffentlichen Streit um die Kastration und andere Themen wie die Stallhaltung der Tiere. Zudem habe die Branche auch ein Vermarktungsproblem. Schweinefleisch müsse am Markt - wie Rindfleisch - offensiver angeboten werden, forderte Göbert. Alte Schweinerassen mit besonders schmackhaftem Fleisch sollten wiederbelebt und Schweinefleisch an der Theke auch sprachlich selbstbewusster verkauft werden. «Beim Rind gibt's T-Bone, Porterhouse, Rib-Eye und Entrecote, das wär auch beim Schwein möglich, aber da verkaufen wir nur Kotelett.»

Sein Unternehmen werde ab 2021 gar nicht mehr kastrieren, sagte Göbert. Auf den Eingriff verzichteten außerdem die meisten Betriebe in Spanien sowie in den Niederlanden. Ein Hinweis «ohne Kastration erzeugt» könne im Handel ein wirkungsvolles Qualitätssignal für den Verbraucher setzen, schlug Göbert vor.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".