Bundestags-Beschluss zum EZB-Kaufprogramm

Bundesbank darf weiter Anleihen kaufen

Christopher Ziedler
Lesezeit 3 Minuten
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02. Juli 2020
Der Italiener Mario Draghi hat als Präsident der europäischen Zentralbank das umstrittene Staatsanleihekaufprogramm aufgelegt.

Der Italiener Mario Draghi hat als Präsident der europäischen Zentralbank das umstrittene Staatsanleihekaufprogramm aufgelegt. ©Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Nach einem Verfassungsgerichtsurteil stand in Frage, ob eine Beteiligung am Programm der Europäischen Zentralbank rechtens war. Nun hat der Bundestag mit breiter Mehrheit für Klarheit gesorgt und angekündigt, sich künftig intensiver mit Geldpolitik zu befassen.

BERLIN - Auf ein Aufsehen erregendes Urteil folgt ein ungewöhnlicher Parlamentsbeschluss zur Geldpolitik: Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungskoalition, Liberalen und Grünen festgestellt, dass die Europäische Zentralbank die Verhältnismäßigkeit ihres billionenschweren Staatsanleihekaufprogramms geprüft und auch andere Alternativen erwogen hat. Weil dies dem Bundesverfassungsgericht zuvor nicht ersichtlich gewesen war, hatte es Anfang Mai Klagen gegen das Kaufprogramm stattgegeben und die weitere Beteiligung der Bundesbank an bestimmte Bedingungen geknüpft.

So waren Bundesregierung und Bundestag vom höchsten deutschen Gericht dazu verpflichtet worden, auf die EZB „hinzuwirken“, dass der Erwerb von bereits im Umlauf befindlichen Euroländer-Staatsanleihen „nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgewogen ist“. Sollte dies nicht innerhalb von drei Monaten geschehen, müsste die Bundesbank aus dem „Public Sector Purchase Programme“, abgekürzt PSPP, aussteigen, so die Richter. Um dieses für die Währungsunion möglicherweise gefährliche Szenario abzuwenden, erhielten die Abgeordneten seit Montag in der Geheimschutzstelle des Bundestages Einsicht in entsprechende Akten und Unterlagen der EZB. „Insbesondere auf die Risiken von Anleihekaufprogrammen in einem Niedrigzinsumfeld wurde hingewiesen“, heißt es im nun verabschiedeten Entschließungsantrag des Bundestages, der damit mehrheitlich die Karlsruher Auflagen erfüllt sieht.

Das Verfassungsgericht hat Vorgaben gemacht

„Das ist ein starkes Signal nach Frankfurt, Karlsruhe und Brüssel“, sagte Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) unserer Zeitung: „Die Bundesbank muss nicht aus PSPP aussteigen, so sieht das eine breite Mehrheit im Bundestag“. Zur Kritik an dem nur wenige Tage dauernden Überprüfungsprozess sagte Jung, dass gar keine umfassende politische Bewertung des Kaufprogramms gefordert gewesen sei: „Die EZB entscheidet unabhängig: Es geht allein darum, ob eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und dokumentiert wurde.“

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Der inzwischen fraktionslose Ex-AfD-Abgeordnete Uwe Kamann hatte zuvor in einem Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) „eine bewusste Missachtung der parlamentarischen Kontrollpflichten“ moniert, weil ein so komplexes Thema „ohne profunde Prüfung“ und „im Schweinsgalopp“ behandelt werde. Wegen der von Karlsruhe gesetzten Frist hätte es allerdings bei einem längeren Überprüfungszeitraum eine Sondersitzung des Bundestages in den Sommerferien gebraucht.

Politisch heikel war die Beschlussfassung vor allem deshalb, weil das Verfassungsgericht Vorgaben gemacht hat, die Bundestagsmehrheit aber keine direkten Forderungen gegenüber der Europäischen Zentralbank erheben und dadurch ihre Unabhängigkeit infrage stellen wollte. Deshalb wurde beispielsweise die Bereitstellung der notwendigen Dokumente in diskreten Gesprächen zwischen Schäuble und EZB-Chefin Christine Lagarde vereinbart, die sich aus gemeinsamen Finanzministertagen kennen.

Lehre aus dem Karlsruher Rüffel

Als Lehre aus dem Karlsruher Rüffel will sich der Bundestag künftig häufiger mit der europäischen Geldpolitik befassen. Das Parlament komme, so heißt es in dem Beschluss, „dauerhaft seiner Integrationsverantwortung hinsichtlich geldpolitischer Entscheidungen des EZB-Rats nach“. Hinter dieser Formulierung verbergen sich Überlegungen, Bundesbankchef Jens Weidmann als deutschen Vertreter im europäischen Zentralbanksystem regelmäßig im Bundestag anzuhören. Dem Vernehmen nach geht es zwischen den Fraktionen nur noch darum, in welcher Form dies geschehen soll, da viele Fachpolitiker thematisch betroffen sind. Diskutiert wird deshalb darüber, dass Europa-, Finanz- und Haushaltsausschuss des Bundestages für diese geldpolitischen Anhörungen gemeinsam tagen sollen.

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