Anleger-Anwalt Andreas Tilp gestorben

Den Kampf um die Anlegerrechte perfektioniert

Klaus Dieter Oehler
Lesezeit 4 Minuten
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07. April 2021
 

  ©Foto: dpa/Swen Pförtner

Einer der bekanntesten Anlegeranwälte Deutschlands ist tödlich verunglückt. Der Tübinger Jurist Andreas Tilp ist im Alter von 58 Jahren bei einem Fahrradunfall gestorben. Ein Nachruf.

Stuttgart - Wenn in der Welt der Wirtschaft irgendetwas so richtig schiefläuft, dann wurde Andreas Tilp hellwach. So etwas wie der Betrugsskandal bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard ließ ihn zu Hochform auflaufen. Mehr als 70 000 Kleinanleger haben sich bei der Kanzlei Tilp in Kirchentellinsfurt schon gemeldet – und Andreas Tilp hat ihnen Mut gemacht. Eine Klage gegen die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young könne man gar nicht verlieren, hat er Ihnen zum Beispiel versichert. Und auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Bafin, müsse für die schweren Versäumnisse zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie über Jahre nicht gemerkt hat, wie dort bei Wirecard getäuscht und getrickst wurde. Und natürlich wird Wirecard selbst verklagt.

Tilp hatte immer Argumente parat

Der redegewandte Tilp hatte immer Argumente parat und ließ sich auch von den größten Adressen nicht schrecken. Schon als junger Jurastudent hatte er sein Selbstbewusstsein unter Beweis gestellt. 400 000 D-Mark hatte er damals verloren, weil er mit kreditfinanzierten Spekulationsgeschäften sein Glück herausforderte – doch mit viel Geschick gelang es ihm, um die Rückzahlung der Schulden herumzukommen. Es war seine erste juristische Schlacht, die er mit der inzwischen bundesweit bekannten Beharrlichkeit führte. Dies, so erzählte er später einmal, habe ihn auf die Idee gebracht, solche Fälle zu seinem juristischen Fachgebiet zu machen. Und das mit zunehmendem Erfolg.

Kanzlei 1994 gegründet

Als der gebürtige Schwabe nach dem Zweiten Staatsexamen auf eigenen Beinen stehen wollte, gründete er 1994 seine Kanzlei in Tübingen, die von Anfang an auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert war und ausschließlich Anleger und Investoren vertritt. Schnell fasste er Fuß in der Welt der kleinen wie großen Anleger, breitete sich 2004 nach New York aus, aber auch in die Schweiz und auf die Sonneninsel Madeira. Als Mitglied der Deutsch-Amerikanischen-Juristen-Vereinigung sah Tilp schnell, wie Anlegerrechte auf beiden Seiten des Atlantiks sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Während etwa Volkswagen in den USA wegen des Dieselskandals schon in Milliardenhöhe zur Kasse gebeten wurde, mussten hierzulande Dieselfahrer sich noch in Einzelkämpfen mit dem Wolfsburger Giganten üben. Tilp machte aus einer 20 000-Euro-Schadenersatzklage vor dem Braunschweiger Landgericht schließlich ein Musterverfahren. Sammelklagen, Musterverfahren – das sind Instrumente, die den Kanzleien wie Tilp die Macht geben, um gegen große Konzerne vorgehen zu können. Tilp, als Berater in solchen Fragen in Berlin gern gesehen, hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass auch die deutschen Anlageschutzgesetz modernisiert wurden.

Vater dreier Kinder

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Nur wenige Anlegerkanzleien haben den Kampf um die Anlegerrechte so perfektioniert wie das Büro von Tilp, das heute zehn Anwälte beschäftigt und sich selbst als „Wir-holen-das-Geld-zurück-Kanzlei“ bezeichnet. Das bekam die Telekom ebenso zu spüren wie VW und Porsche oder die Hypo Real Estate, die HRE, von der er auch Millionen für geschädigte Anleger zurück erstritt.

Dabei war der Vater dreier Kinder als Privatmann gar nicht streitbar, sondern ein Familienmensch, der genießen konnte. Er habe nur zwei Hobbys, seine Arbeit und seine Familie, betonte er gern. Schon vor fünf Jahren dachte er daran, dass ihn die Arbeit nicht auffressen solle. Nach dem Tod der Eltern und des Onkels begann er, über das Leben nach der Kanzlei nachzudenken. „Wenn die Party richtig schön ist, muss man gehen“, verriet er damals im Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Doch immer wieder kam etwas dazwischen – an Aufgaben hat es Andreas Tilp nie gefehlt. Die Kanzlei werde auf jeden Fall weitergeführt – das sei der Wunsch seiner Familie, und es wäre vor allem auch Andreas Tilps Wunsch gewesen, sagt Marvin Kewe, Rechtsanwalt in der Kanzlei Tilp.

Wie Tilps Kanzlei Tilp Rechtsanwälte bei Tübingen unserer Zeitung bestätigte, starb Andreas Tilp am Gründonnerstag im Alter von 58 Jahren bei einem Fahrradunfall in der Nähe von Tübingen.

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