EU-Agrarreform zeichnet sich ab
Brüssel - Die EU-Agrarreform nimmt konkrete Züge an. In der Nacht zu Freitag einigten sich die Unterhändler von EU-Parlament und portugiesischer Ratspräsidentschaft auf die Eckpfeiler der Agrarpolitik, für die bis 2027 400 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zur Verfügung stehen. Nach Informationen unserer Zeitung sind sich die Vertreter der beiden CO-Gesetzgeber einig geworden, dass 25 Prozent der Direktzahlungen an die Landwirte in der EU nur dann gehen, wenn sie sich zu speziellen Ökomaßnahmen verpflichten. Es soll nun eine so genannte Lernphase in den Jahren 2023 und 2024 geben. In diesen beiden ersten Jahren sollen Bauern, die noch nicht die Ökomaßnahmen komplett beherrschen, die Direktzahlungen auch dann bekommen, wenn die Ökomaßnahmen in ihrem Betrieb nur 20 Prozent ausmachen.
Weniger Spritzen
In diesem Fall sollen die fünf Prozent nach der Lernphase nachgeholt werden. Bauern, die weniger als 20 Prozent Ökomaßnahmen betreiben, verlieren in der Lernphase den entsprechenden Teil ihrer Direktzahlungen. Umweltauflagen, die man erfüllen muss, um die Direktzahlungen zu bekommen, gibt es schon bisher. Dazu zählt etwa der Fruchtwechsel auf der Ackerfläche. Neu ist, dass die Landwirte die Wahl haben, sich gegen Geld auf spezielle Öko-Maßnahmen zu verpflichten. In Deutschland werden dies etwa der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, die Ausweisung von nichtproduktiven Flächen auf dem Acker, Anbau von heimischen Eiweißpflanzen oder die Anlage von Blühstreifen sein. Das Parlament wollte ursprünglich durchsetzen, dass 30 Prozent der Direktzahlungen an die Ökomaßnahmen gebunden werden, die Mitgliedstaaten hatten zuletzt 25 Prozent angeboten. Der Kompromiss besteht darin, dass in der Lernphase versäumte Ökomaßnahmen später nachgeholt werden müssen. Der Gesetzgeber in Deutschland hat bereits beschlossen, dass ab 2023 25 Prozent der Direktzahlungen an die Ökomaßnahmen gekoppelt sind.
Als Umweltauflage gilt zudem künftig, dass vier Prozent der Fläche eines Landwirtes nicht produktiv sind. Diese Regelung soll dazu führen, dass sich die Böden regenerieren können. Das Parlament hatte durchsetzen wollen, dass der Wert bei fünf Prozent liegt, die Mitgliedstaaten wollten drei Prozent.
Umverteilung zugunsten der Kleinen
Es bleibt dabei, dass Europas Bauern entsprechend der Größe der bewirtschafteten Flächen Direktzahlungen bekommen. Allerdings soll von den großen zu den kleineren Betrieben umgeschichtet werden. In der Nacht wurde beschlossen: Grundsätzlich sollen zehn Prozent der Direktzahlungen von den größeren Betrieben eines Landes auf die kleineren Betriebe umverteilt werden. Die Mitgliedstaaten können auch die Direktzahlungen ab einer gewissen Betriebsgröße komplett kappen oder den Anstieg bremsen. Dies müssen sie aber in den nationalen Strategieplänen nachweisen, die sie bei der Kommission einreichen und sich genehmigen lassen müssen. Das Europa-Parlament hatte gefordert, dass zwölf Prozent der Direktzahlungen auf kleinere Betriebe umverteilt werden. Dies wäre eine Umverteilung von 25 Milliarden Euro gewesen. Nun werden zehn Prozent oder knapp 21 Milliarden Euro umverteilt.
In Deutschland, wo jedes Jahr rund fünf Milliarden Euro für Direktzahlungen zur Verfügung stehen, wurde eine Umverteilung von zwölf Prozent – insgesamt also 600 Millionen Euro im Jahr – bereits beschlossen. Daran ändern auch die Beschlüsse auf EU-Ebene nichts. In Deutschland bedeutet dies etwa, dass es für die ersten 40 Hektar bei kleinen Betrieben einen Zuschlag von 69 Euro je Hektar gibt und bis 60 Hektar dann einen Zuschlag von 41 Euro je Hektar.
Soziale Pflichten
Erstmals sollen die Direktzahlungen daran gekoppelt werden, dass Landwirte auch ihren sozialen Verpflichtungen gegenüber Leih- und Saisonarbeitern nachkommen. Bei groben Verletzungen, etwa bei illegaler Beschäftigung, kann die Zahlstelle einen Teil der Direktzahlungen einbehalten. In der Nacht einigten sich Parlament und Rat darauf, dass diese Regelung ab 2025 für alle Mitgliedstaaten verpflichtend gilt und ab 2023 freiwillig eingeführt wird.
Dies wurde ebenfalls in der Nacht beschlossen: In der so genannten zweiten Säule, deren Mittel von den Mitgliedstaaten co-finanziert werden, müssen 35 Prozent der Mittel an Klima- und Umweltmaßnahmen gekoppelt werden. Auch diese Entscheidung hat keine Auswirkungen für die deutschen Bauern. In Baden-Württemberg etwa müssen 70 Prozent der Mittel aus der zweiten Säule in diesen Bereich gehen.
Dies ist in Grundzügen die Einigung der Verhandlungsführer von Parlament und Rat. Der Kompromiss muss nun noch von einer Mehrheit der Mitgliedstaaten sowie einer Mehrheit im Parlament akzeptiert werden. Die im Zuge des Green Deal angekündigten Gesetze etwa zur drastischen Reduktion von Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie zur Steigerung des Anteils der Ökobauern und zur Verbesserung des Tierwohls sollen, sobald sie beschlossen sind, in die Agrarreform eingearbeitet werden.