Schwere Niederlagen vor Gericht für VW
Seit dem der Bundesgerichtshof in der juristischen Auseinandersetzung um den VW-Dieselabgaskandal in einem Hinweisbeschluss die Seite der Verbraucher gestärkt hat, verliert der Autobauer reihenweise Verfahren. Das Oberlandesgericht in Karlsruhe hat jetzt drei Autoneulieferungen ohne Nutzungsentschädigung angeordnet.
Hartnäckigkeit zahlt sich aus – zumindest für Hermann Billharz aus Gutach. Der Volkswagenkonzern muss ihm einen neuen Sharan vor die Haustür stellen. Das Oberlandesgericht in Karlsruhe hat im Abgasskandal den Konzern dazu verurteilt, ohne dass Billharz eine Nutzungsentschädigung bezahlen muss. Das Landgericht Konstanz hatte in erster Instanz die Klage von Billharz abgelehnt. Karlsruhe kassierte jetzt das Urteil ein.
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr vertrat den Gutacher Billharz in dem Verfahren. Wie die Kanzlei zusätzlich mitteilte, müssen zwei weitere VW- beziehungsweise Audi-Händler wegen der illegalen Abschalteinrichtung Autos neu ausliefern. Damit haben die Geschädigten über Jahre kostenlos ihr Fahrzeug gefahren und erhalten nunmehr ein neues Fahrzeug.
Doch warum hatte Billharz in ersten Instanz vor dem Landgericht Konstanz seine Klage auf Neulieferung verloren? Das Landgericht hielt das Update zur Behebung der Fehler für zumutbar. Die Kosten für das Aufspielen des Updates seien erheblich geringer als die Neulieferung eines neuen Pkw, weshalb dem Händler die Lieferung eines neuen Fahrzeugs im Tausch gegen das Manipulierte unzumutbar sei. Dieser Ansicht erteilte das Oberlandesgericht Karlsruhe nunmehr eine Absage. Es hob das Urteil des Landgerichts Konstanz auf und verurteilte den Händler zur Neulieferung des VW Sharan. Das Oberlandesgericht urteilte, dass die Neulieferung wegen eines Modellwechsels nicht unmöglich sei. Das neue Modell des VW Sharan entspreche vertraglich noch dem alten Modell. Auch sei die Nachlieferung nicht unzumutbar.
Ursache für den Sinneswandel von Richtern ist ein im Februar ergangener Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, der die Seite der VW-Geschädigten stärkt. Die Neulieferung eines Fahrzeugs könne nicht mit der Begründung verweigert werden, dass zwischenzeitlich ein Modellwechsel eingetreten sei, so der BGH. Diese Vorgabe hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in seinen Urteilen aufgegriffen und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass auch bei einem zehn Jahre alten Audi A3 bzw. bei einem acht Jahre alten VW Sharan keine Unmöglichkeit aufgrund verschiedener Modellwechsel vorliegt und eine Nachlieferung möglich ist.
Die Urteile seien deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie Einfluss auf tausende Verfahren im Abgasskandal haben können«, betonte die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer. Dies gilt insbesondere für die Verfahren gegen VW und Audi wegen den drei Liter Fahrzeugen und für Verfahren gegen Daimler. Hier droht den Konzernen eine Klageflut mit Millionenforderungen der Kunden. »Es ist ein weiterer Meilenstein in der Aufarbeitung des VW-Skandals«, betonte die Kanzlei weiter. Als eine der wenigen Kanzleien bundesweit habe man von Beginn an die Rechtsansicht vertreten, dass Neuwagenkäufer einen Anspruch auf Neulieferung ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung haben. »Die Rechtsprechung hat sich zu Gunsten der VW Geschädigten gewendet«, heißt es weiter.
Die Anwälte raten Geschädigten weiter dazu, gegen VW vorzugehen. Einzelklagen seien weiter möglich. Die Rechtsanwälte Dr. Stoll & Sauer führen in einer Spezialgesellschaft zudem die erste Musterfeststellungsklage gegen die Volkwagen AG für den Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Am 30. September ist der erste mündliche Verhandlungstag in Braunschweig vor dem Landgericht angesetzt. Bis zum 29. September ist es noch möglich, sich der Musterfeststellungsklage anzuschließen.