Auf dem Weg zur Liquidierung
Die Raffinerie Reichstett, die seit April 2011 kein Rohöl mehr verarbeitet, schließt endgültig Ende Januar. Ein vom Gericht zu bestimmender Liquidator wird nun die heikle Frage nach der Zukunft des Standortes lösen müssen.
Für die sechs noch verbliebenen Beschäftigten der Raffinerie Reichstett nördlich von Straßburg läuft der Countdown: Am 31. Januar ist für sie definitiv Schluss, nachdem sie sich in den vergangenen Monaten darum kümmerten, den Standort zu überwachen, zu sichern, die Zähler abzustellen und schließlich die Tore hinter sich zuzuziehen. »An diesem Tag endet jedwede Aktivität auf dem Raffineriegelände«, sagt Claude Philipponneau, der Präsident der Betreibergesellschaft Petroplus Raffinage Reichstett (PRR) und Direktor der Raffinerie.
PRR habe bei der Handelskammer am Landgericht Straßburg die Liquidation beantragt. Eine erste Anhörung wurde auf den 10. Februar festgelegt – fast drei Jahre nachdem die Produktion in Reichstett eingestellt wurde, weil sie für die Betreiberfirma, den Schweizer Petroplus-Konzern, zu unrentabel war. Petroplus hatte die Raffinerie erst 2008 vom niederländisch-britischen Ölmulti Shell übernommen. Im Februar 2012 stellte die Raffinerie dann einen Insolvenzantrag, weil Petroplus das Geld ausgegangen war
Die Raffinerie Reichstett wurde 1963 in Betrieb genommen und war die kleinste der insgesamt zwölf Erdölraffinerien in Frankreich. Sie belieferte sämtliche Tankstellen in der Region und verarbeitete zuletzt täglich 7000 Tonnen Rohöl. Nun wird das Gericht wohl einen Liquidator bestimmen, der sich um die weitere Zukunft des Standortes kümmert. Denn bislang ist nur die Personalfrage gelöst. Die meisten der 250 Beschäftigten wurden entlassen, einige wenige hatten Angebote in anderen Petroplus-Raffinerien akzeptiert, ehe der Konzern insolvent ging.
Bislang kein Ergebnis
PRR, die sich seit November um die Entsorgung von mehreren Hundert Tonnen Ablagerungen in den Schwerölbecken kümmerte, fand bislang keine Geldgeber, um die kostspielige Demontage der Raffinerieanlagen und die Sicherung des Geländes zu finanzieren. Gespräche mit Kaufinteressenten für Anlagenteile seien bislang ergebnislos verlaufen, sagt Raffineriechef Philipponneau. Er habe wenig Hoffnung, doch noch zu einem Ergebnis zu kommen.
Diese Aufgabe müssten nun künftige Besitzer des Geländes lösen. In diese Richtung hatte die Handelskammer beim Landgericht Straßburg gedacht, als sie im September 2012 die 320 Hektar, auf denen die alten Produktionsanlagen stehen, der der französischen Firma Brownfields zusprach. Brownfields ist auf die Sanierung und Immobilien-Vermarktung ehemaliger Industriegelände spezialisiert. Auf dem Raffineriegelände in Reichstett wollte die Firma binnen fünf Jahren die Türme, Reaktoren und die tausende Kilometer langen Röhren abbauen und das Erdreich sanieren. Der Beginn der Arbeiten war für Anfang 2013 geplant, verzögerte sich aber bislang wegen nicht gelöster Aufhebungsklauseln im Vertrag.
Erneute Gespräche
Die ganze Angelegenheit muss laut Philipponneau nun wohl neu aufgerollt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Umweltbehörde des Departements Bas-Rhin ein Bodensanierungsprogramm beschlossen hat und dass die lokalen Gebietskörperschaften stark an der Entwicklung des brach liegenden Geländes interessiert. Zudem hat die Firma Rubis Terminal den südlichen Teil des Geländes gekauft. Der Liquidator wird daher wohl mit all diesen Interessenten erneut Gespräche führen müssen, meint Philipponneau.
Hintergrund: Die Pläne von Rubis
Das französische Unternehmen Rubis Terminal übernahm bereits vor einem Jahr den südlichen Teil des Raffineriegeländes in Reichstett mit den Tanklagern und dem Rohöl-Schiffsterminal. Rubis ist auf die Lagerung von Chemieprodukten und den Vertrieb von Kraftstoffen spezialisiert. Auf dem Gelände in Reichstett will die Firma, die sechs Raffinerie-Mitarbeiter übernahm, bis 2018 rund 35 Millionen Euro investieren, um das Erdreich zu sanieren und das Tanklager zu modernisieren. Der Erwerb des Geländes erlaubt es Rubis nach eigenen Angaben, die Versorgung des Departements Bas-Rhin mit Rohölprodukten zu sichern und die Befüllung von Tankwagen wieder zu beleben, die die Tankstellern im Norden und Westen des Straßburger Ballungsraums beliefern.