Offenburg

»Es wurde viel und emotional diskutiert«

Tobias Symanski
Lesezeit 6 Minuten
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18. Juli 2017
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(Bild 1/3) Rainer Huber (links) und Rudolf Matkovic, die beiden Geschäftsführer von Edeka Südwest in Offenburg, sehen den stationären Einzelhandel in der Fläche beim Verkauf von frischen Lebensmitteln weiter im Vorteil gegenüber dem Onlinehandel. ©Iris Rothe

Der kommunale Streit um den neuen Standort des Zentrallagers von Edeka Südwest hatte im vergangenen Jahr die Ortenau bewegt. Die beiden Geschäftsführer des Unternehmens, Rainer Huber (Sprecher) und Rudolf Matkovic, hätten sich dabei etwas mehr Willen zum konstruktiven Austausch gewünscht, wie sie im Interview mit der Mittelbadischen Presse sagen.

Herr Huber, Herr Matkovic, der Onlinehandel gewinnt jedes Jahr Marktanteile. Nicht einmal der Lebensmittelbereich ist vor ihm sicher. Machen Sie sich Sorgen um Ihr Geschäft?

Huber: Was unser Geschäftsmodell betrifft, da sind wir weiter optimistisch. Aber natürlich nehmen wir den Markteintritt von Amazon Fresh, der vor Kurzem mit einem Angebot von über 85 000 Artikeln in Berlin gestartet ist, ernst. Doch wir können, dank unserer Erfahrung mit Edeka24 und E-World24, sehr gut einschätzen, vor welchen großen Herausforderungen der Onlinehändler mit seinem neuen Angebot steht

Was für Herausforderungen sind das?

Matkovic: Wenn man so viele Frischeartikel im Online-Sortiment hat, kann man nicht dieselbe Qualität gewährleisten, wie sie beispielsweise der örtliche Lebensmittelmarkt bieten kann. Der selbstständige Kaufmann hat den Vorteil, dass er sich viel besser auf seine Kundenstruktur einstellen und die Produkte in genau den Mengen und Ausprägungen vorhalten kann, wie sie die Kunden benötigen. Wir sehen den Vorteil deshalb weiterhin auf der Seite des stationären Einzelhandels, also in der Fläche. Der Käufer kann an die Bedientheke gehen, sich das Stück Fleisch oder Wurst herauspicken, das ihm gefällt, und sich den Kopfsalat, den er gerne haben möchte, vorher genau ansehen.

Ist der Onlinehandel bei Edeka nur Sache der Hamburger Zentrale oder können Sie in diesem Bereich selbst aktiv werden?

Huber: Der Prozess wird gemeinsam gestaltet. Die Produkte, die ein Kunde bei Edeka24 bestellt, werden schon immer von Offenburg ausgeliefert. Auch beim Aufbau regionaler Lieferservices werden die Edeka-Händler vor Ort eingebunden.

Edeka Südwest ist nicht nur Verkäufer, sondern auch Produzent: Wasser wird abgefüllt, Wurstwaren hergestellt, Wein gekeltert. Was steckt hinter der Strategie?

Huber: Wir haben da natürlich die Wertschöpfung im Auge, wollen aber auch Qualitäten unter Kontrolle haben und den Markt mitgestalten, aber vor allem die Lieferfähigkeit sicherstellen. 2007 ist Schwarzwaldsprudel in die Edeka-Gruppe gekommen, weil zwei, drei Jahre zuvor die großen französischen Wassermarken aufgrund des heißen Sommers ihre Lieferungen rationiert haben.

Wie weit können und wollen Sie im Konzert der Lebensmittelproduzenten noch mitspielen?

Matkovic: Da gibt es sicher Grenzen. Man errichtet nicht mal einfach so eine Nudel- oder Schokoladenfabrik. Und wir werden sicher auch nicht selbst Tomaten oder Gurken anbauen. Es muss einfach zu uns passen. Unser Gradmesser ist immer: Ein Edeka-Produktionsbetrieb muss beim Service, der Qualität und der Belieferung besser sein als der Wettbewerb. Denn ein Edeka-Kaufmann kann sich frei am Markt bedienen, er ist nicht an unser Angebot  gebunden.

Ihr »Hofglück«-Programm ist preisgekrönt. Dabei geht es um eine artgerechte Haltung von Schweinen. Wieviel Potenzial hat das Programm noch?

Huber: Derzeit sind über 20 landwirtschaftliche Betriebe mit an Bord. Bis Ende des Jahres dürften es doppelt so viele sein, im kommenden Jahr sollen zehn Prozent der geschlachteten Schweine, die in unserem Betrieb in Rheinstetten verarbeitet werden, aus dem »Hofglück«-Programm kommen.

Müssen Händler stärker in Wertschöpfungsketten eingreifen, um bestimmte Ziele zu erreichen?

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Matkovic: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Die Regionalisierung ist für das vom selbstständigen Kaufmann geführte Geschäft sehr wichtig geworden, um sich gegenüber den Discountern und dem übrigen Wettbewerb abzugrenzen. Dazu gehört auch der Vertragsanbau mit Partnern aus der Region, bei dem es um Verlässlichkeit geht: Die Preise und Abnahmemengen werden bereits ein Jahr vorher festgeschrieben, und wir nehmen die Gurken auch dann ab, wenn die Form vielleicht mal etwas »verunglückt« ist.

Sie werden in Rastatt direkt an der Autobahn 5 ein neues Logistikzentrum errichten. Noch sieht man dort eine grüne Wiese. Wann starten die Bauarbeiten?

Huber: Wir sind voll im Zeitplan. Der Gemeinderat von Rastatt hat vor Kurzem dem Verkauf der 120 000 Quadratmeter Fläche an uns zugestimmt. Jetzt gehen wir ins Verfahren mit Offenlegung, Bebauungsplan und Gutachten. Wenn wir die Baugenehmigung und den Architektenplan haben, wird es schnell vorwärts gehen. Im Herbst 2018 ist der erste Spatenstich geplant, Ende 2020 wollen wir das Zentrallager in Betrieb nehmen.

Sie haben den kommunalen Zwist in der Ortenau um den neuen Lagerstandort mitbekommen. Inwieweit hat Sie dies bei Ihrer Standortentscheidung beeinflusst?

Huber: Das hat keine Rolle gespielt. Maßgeblich für unse Entscheidungen sind die wirtschaftlichen Belange. Es wurde viel und emotional diskutiert. Teilweise über Themen, die einfach noch nicht ganz ausgegoren waren. Ich hätte mir da das ein oder andere Mal etwas mehr Willen zum konstruktiven Austausch gewünscht.

Matkovic: Eine gute Sache hatte der Zwist jedoch: Erst durch ihn wurde Rastatt auf uns aufmerksam. Der OB kam auf uns zu und bot uns die Fläche an, die einst für die Ansiedlung eines großen Möbelhauses von Ikea vorgesehen war.

Achern konnte sich eine Zeit lang Hoffnung auf das Edeka-Zentrallager machen. Wie viele Standorte haben Sie tatsächlich geprüft?

Huber: Der Prozess wurde bereits vor fünf, sechs Jahren gestartet. Wir haben uns dabei insgesamt 13 Standorte im Liefergebiet angesehen. Optimal wäre – von der logistischen Lage – der Standort Bruchsal gewesen, doch die benötigte Fläche war dort nicht vorhanden. Mit Rastatt 50 Kilometer südlicher liegen wir aber ziemlich nah dran.

Matkovic: Hätte es Rastatt nicht gegeben, wäre es vielleicht Achern geworden. Das Problem hier war aber die zeitliche Komponente.

Inwiefern?

Huber: Unabhängig davon, dass sich der Planungsausschuss des Regionalverbands gegen das Projekt ausgesprochen hat, wären die Auflagen aus dem Bereich Naturschutz in Achern bis zum geplanten Start des Lagers im Jahr 2020 überhaupt nicht umsetzbar gewesen. Wir hätten uns von vornherein in einem ganz anderen Zeitfenster bewegt.

Matkovic: Hinzu kommt, dass der größte Teil der benötigten Grundstücke nicht im Eigentum der Stadt Achern liegt. Man hätte die Flächen also erst beschaffen müssen. Und das geht nicht gerade von heute auf morgen. Doch eine zeitnahe Lösung musste her. Denn aus der Not heraus mussten wir uns bereits bei einem Logistiker in Heddesheim bei Mannheim einmieten. Es ist kein idealer Standort, aber die Fläche ist vorhanden, um in der Größenordnung zu beliefern, wie wir es benötigen.

Wie wird sich der Offenburger Standort nach der Fertigstellung des Rastatter Standorts entwickeln?

Huber: Er hatte in der Vergangenheit eine gute Entwicklung, und das wird so weitergehen. Der Platz, der im Regionallager Offenburg durch das neue Zentrallager in Rastatt gewonnen wird, wird mit weiteren Frischeartikeln –  also Obst, Gemüse und Molkereiprodukte – aufgefüllt.

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