Coronavirus in Baden-Württemberg

Zertifizierungschaos bremst Maskenversorgung

Christiane Rebhan
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
18. April 2020
Genauer Blick: Ein Mitarbeiter im Prüflabor der Dekra in Essen untersucht eine Corona-Schutzmaske.

Genauer Blick: Ein Mitarbeiter im Prüflabor der Dekra in Essen untersucht eine Corona-Schutzmaske. ©Foto: Dirk Wessels/Dekra

Eine Firma aus dem Kreis Göppingen versucht ihre Schutzmasken an Landesbehörden zu verkaufen, doch dort herrscht Unklarheit, welche Produkte zugelassen sind.

Albershausen - Sieben Millionen Schutzmasken sind seit Beginn der Coronakrise vor mehr als sechs Wochen in Baden-Württemberg eingetroffen. Klingt nach Unmengen – doch bei einem täglichen Verbrauch von etwa 750 000 Stück an Schutzausrüstung in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen herrscht im Land weiterhin Knappheit. Auf der anderen Seite stehen viele kleine und mittlere Firmen, die aufgrund ihrer ursprünglichen Produkte hervorragende Handelsbeziehungen in den asiatischen Raum haben. Sie bieten an, Ausrüstung zu besorgen oder haben ihre Ware bereits im Lager.

Doch auf den Tischen der zentralen Beschaffungsstelle der Landesregierung landen ihre Angebote nie und wenn doch, kommt man nicht ins Geschäft? Doch wo liegt der Flaschenhals, der letztendlich dafür sorgt, dass Ärzte und Pfleger ohne ausreichenden Schutz an hochansteckenden Patienten arbeiten?

Keine Abnehmer trotz guter Beziehungen nach China

Die kleine Firma Projekt Globe aus Albershausen im Landkreis Göppingen ist an den Behörden gescheitert, dabei haben sie alles richtig gemacht. Benjamin Schneider berät Unternehmen, die auf dem asiatischen Markt Fuß fassen wollen, er spricht Chinesisch, hat in China Industriewirtschaft studiert und ist regelmäßig vor Ort. In Produktionsstätten, die für einen seiner Investoren Ware herstellen, werden auch Mund-Nasen-Schutz und filtrierende Halbmasken (FFP2 und FFP3) gefertigt. „Ich kenne alle meine Lieferanten persönlich – in China kommen nur über derart gut gepflegte Netzwerke Geschäftsbeziehungen zustande, auf die Verlass ist.“

Die Knappheit in Deutschland nahm zu, also griff der Enddreißiger zum Hörer und versuchte sowohl der zentralen Beschaffungsstelle der Landesregierung als auch dem Landkreis Tübingen seine Masken anzubieten. Doch auf das Halbwissen in den Behörden und das daraus folgende Informations-Wirrwarr war er nicht vorbereitet: „Ich werde den Eindruck nicht los, dass man gar nicht wirklich will“, sagt Schneider. Der Schriftverkehr und die Telefonate – sowohl mit der Landes-Taskforce im Sozialministerium als auch mit einer Stelle des Tübinger Regierungspräsidiums (RP) als landesweit zuständiger Marktüberwachungsbehörde – füllt sein Postfach seit Mitte März.

- Anzeige -

Ein Problem ist die Zertifizierung der Masken. Während der Coronakrise wurden die Ansprüche dafür mittels einer EU-Verordnung herabgesetzt, da der Prüfvorgang sonst zu lange dauern würde. „Wir akzeptieren jetzt auch Masken ohne CE-Kennzeichnung, wenn die Händler dafür chinesische, australische, japanische, kanadische oder eine US-amerikanische Zertifizierungen vorweisen“, bestätigt auch Wolf Hammann, Ministerialdirektor im Sozialministerium und sogenannter Chefbeschaffer der Corona-Arbeitsgruppe. Könne ein Lieferant der Landesregierung die entsprechenden Dokumente vorweisen, „gehen wir davon aus, dass die Schutzausrüstung verkehrsfähig ist und eingeführt werden kann“, so Hammann.

Behördenmitarbeiter empfahlen teure Tests

„Wir haben die Zertifizierung, die beweist, dass unsere Masken unter anderem den Standard der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA erfüllen“, sagt Schneider. Diese und weitere Dokumente wies er stets nach. Doch was genau akzeptiert wird, ist offensichtlich bei Mitarbeitern der Behörden noch nicht angekommen. Der Schriftwechsel liegt unserer Zeitung vor. Ein Mitarbeiter des RP Tübingen war derart ratlos, dass er der Firma empfahl ihre Masken vor Einfuhr bei einem der drei von der Zentralstelle der Länder ausgewiesenen Instituten prüfen zu lassen. „Das Institut für Arbeitsschutz IFA, eine Stelle der Dekra sowie der TÜV Nord sind berechtigt sogenannte Corona-Produktprüfungen durchzuführen“, sagt Hammann.

Also wandte sich Schneider an die Dekra: „Pro Maskentyp hätte uns diese Prüfung 10 000 Euro gekostet, das wäre eine große Risikoinvestition gewesen.“ Doch hinterher hätte der Kleinunternehmer kein Zertifikat in der Hand gehabt – seine Masken wären nur während der Coronakrise zugelassen. Man erhält ein Bewertungsschreiben, das als Vorlage bei Behörden dient. „Bei Produktprüfungen aller Art rechnen sich Prüfkosten erst bei entsprechenden Stückzahlen“, kommentiert ein Dekra-Sprecher die teure Leistung.

Hinzu kommt, selbst wenn Schneiders Schutzausrüstung dann sicher durch den Zoll käme, dürfte er die Ware ausschließlich an medizinische und pflegerische Einrichtungen verkaufen – einen entsprechenden Vertrag hat ihm das RP zugeschickt – an Apotheken und Privatleute dürfte er nicht liefern. Damit ist der Abnehmerkreis wesentlich kleiner.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".