Kehler Soulsängerin: »Songs haben mein Leben gerettet»
Vor einem Jahr ist die Pop- und Soulsängerin Sonja James der Liebe wegen nach Kehl gezogen. Sie schreibt ihre Lieder selbst. Mit der Musik reinigt die 30-Jährige ihre Seele. Als Kind musste sie den Krieg in Bosnien miterleben, Erinnerungen und Bilder, die sie nicht loslassen.
Wenn die Kehlerin Sonja James den Raum betritt, dann geht ein unbändiges Strahlen von ihr aus. Sie scheint glücklich. Aber sie hat auch schon viel erlebt – Schreckliches, das sie nicht vergessen kann. Doch sie hat einen Weg gefunden, ihre Seele zu reinigen: die Musik. Und das schon von klein auf.
Sonja James wurde 1986 in Tuzla in Bosnien geboren. 1992 brach der Krieg aus. Plötzlich, über Nacht, erzählt sie. »Ich war noch zu jung, um mich zu erinnern, wie es vor dem Krieg war, aber auch schon zu alt, um die Bilder des Krieges zu vergessen.« Sie musste am 25. Mai 1995 das Massaker von Tuzla miterleben, bei dem eine Granate 71 Menschenleben und 173 Verletzte forderte – die meisten waren Kinder und Jugendliche. »Ich habe gelernt, was Tod ist, noch bevor ich wusste, was Leben ist«, sagt sie.
Das, was sie erlebt hat, kann niemand reparieren. Die Narben sitzen tief. »Wenn ein Kind einen Krieg überlebt hat, bleibt das für immer.« Ihre Mutter habe versucht, sie und ihren Bruder mit Kunst aus der Kriegsgegenwart zu holen. Mit fünf Jahren fing Sonja James mit dem Klavierspielen an – klassische Musik von Beethoven und Mozart. »Das war mein Weg raus.«
Internationale Wettbewerbe
Saß sie am Klavier, so bekam sie nichts mit – »keine Gedanken über Tod, Hunger und Durst. Da war nur die Musik.« Und sie spielte richtig gut. Ein Jahr nach dem Krieg, 1996, nahm sie an ersten internationalen Wettbewerben teil – mit gerade mal zehn Jahren.
Mit 19 Jahren kam der Gesang dazu. »Singen bietet mehr Freiheit. Da ist der eigene Körper das Instrument.« Eine befreiende Wirkung für die junge Frau. »Singen ist für mich der Weg, meine Botschaften zu teilen und meine Seele zu reinigen.« Ihre Lieder schreibt sie selbst – natürlich am Klavier.
Ihre soulige Stimme füllt einen ganzen Raum, zieht die Zuhörer in ihren Bann. »Ehrlich und emotional« – so beschreibt sie ihre Songs. »Ich fühle zuerst, dann kommt das Lied.« Schmerz, Wut oder Glück – ihre Inspiration kommt aus dem Herzen.
Die meisten ihrer Pop- und Soul-Songs singt sie auf Englisch, sie hat aber auch schon auf Deutsch gesungen. »Ich muss aber noch besser Deutsch sprechen«. Erst vor vier Jahren begann sie, die Sprache zu lernen. Im Januar 2013 hat sie Bosnien verlassen und ist nach Deutschland gekommen.
Sprache als Barriere
Hier hat sie sich ein neues Leben aufgebaut, hat sich in dieses Land verliebt. »Ich habe nie gefühlt, nicht respektiert zu werden.« Hier sei sie frei, sagt sie. Unterstützt wurde sie von ihrer Familie; ihr Taschengeld hat sie sich mit Singen verdient. Die einzige Barriere war eben die Sprache.
In den USA studierte Sonja James Unternehmensmanagement. Später kehrte sie nach Bosnien zu ihrer Familie zurück. Sie wollte in dem Land etwas ändern. »Doch es war ein Kampf gegen Giganten. Einfache Menschen können in diesem System nicht kämpfen. Es ging einfach nicht mehr. Ich wollte mich weiterentwickeln, und das konnte ich in Bosnien nicht.«
Die Liebe führte sie über Kassel und Essen vor einem Jahr nach Kehl. Nach der Arbeit – sie ist für das internationale Personal-Recruiting eines Unternehmens zuständig – geht sie gern am Rhein spazieren, in die Natur. »Es ist einfach sehr angenehm, hier zu leben.«
Ihr Tonstudio ist die Schraubfabrik in Mannheim. Bisher hat sie sich auf die Entwicklung neuer Lieder konzentriert, hat neue Songs im Studio aufgenommen. 2017 will sie mit ihren eigenen Lieder auch auftreten. »Es gibt Songs, die haben mein Leben gerettet«, sagt sie. »Das möchte ich nun mit meinen eigenen zurückgeben.«