Mittleres Kinzigtal

Kommunalpolitiker zum Platzen der »Jamaika«-Sondierung

21. November 2017
Haben es die Wähler verbockt und müssen nochmal an die Urne? © Tobias Lupfer

Mittleres Kinzigtal. Der »Fluch der Karibik«, den die vier Parteien einer möglichen »Jamaika-Koalition« heraufbeschworen haben, wurde gestern im Kinzigtal sehr kontrovers diskutiert. Wir hörten uns an der Basis der Parteien um:

CDU:

Das Ende der Sondierungsgespräche zur Jamaika-Koalition habe ihn überrascht, da offensichtlich in wesentlichen Punkten schon Kompromisse gefunden worden seien, sagt Ehrich Fuhrer, CDU-Vorsitzender in Hornberg. Über Angela Merkel als die geeignetste Persönlichkeit als Kanzlerin nachzudenken, halte er nicht für notwendig: »Sie ist auch die einzige Person, der ich es zutrauen würde, eine solche Koalition stabil zu halten und im Sinne Deutschlands zu lenken«. Fuhrer glaubt nicht, dass sich die SPD bewegen wird, und eine Minderheitsregierung sehe er für Deutschland nicht: »Vielleicht ist die Neuwahl dann die beste der schlechten Alternativen!«
Dass sich das so lange hinzog, verhieß für Karla Mahne, CDU-Fraktionsvorsitzende in Haslach nichts Gutes: »Ganz schlimm wären Neuwahlen, das will der Bürger nicht, und das können die Parteien nicht wollen«, sei nun die SPD gefordert – das wäre nach dem Wahlergebnis schon die erste Option gewesen. Für eine Merkel-Nachfolge gebe es schon einige, wollte sie sich auf keinen Namen festlegen und nannte schließlich doch einen: Thomas de Maizière. Sie gehe aber davon aus, dass eine große Koalition mit Merkel machbar wäre.
»Mit dem Abbruch der Verhandlungen durch die FDP scheinen dieser Personaldebatten, Selbstinszenierung und Kompromisslosigkeit wichtiger zu sein als der Wille, eine stabile Regierung für die nächsten vier Jahre zu bilden«, sagt Tom Weber für die Junge Union Kinzigtal. Diese wolle in erster Linie den Wünschen der Wählerinnen und Wähler gerecht werden, erst dann folgten strukturelle Planungen. Auch die SPD dürfe sich nicht aus der Verantwortung ziehen und müsse für Sondierungsgespräche offen sein.

SPD:

Die in den Bundestag gewählten Parteien hätten die Pflicht, eine Regierung zu bilden, sagt Manfred Maurer, Vorsitzender der SPD Wolfach. Dazu brauche es eine Mehrheit im Bundestag. Die Einstellung der überwiegenden Mehrheit in der SPD, dass die Groko abgewählt wurde, sei natürlich richtig. »Eine Minderheitsregierung ist keine stabile Regierung«,sagt er. Er halte eine Große Koalition für das Land als das geringste Übel – mit dem Klotz am Bein, dass die AfD stärkste Oppositionskraft wäre. Er glaube aber, dass die Mehrheit in der SPD-Parteiführung dafür nicht zur Verfügung stehe. »Was dann geschehen wird entscheiden andere; wir gehen ungewissen Zeiten entgegen!«, so Maurer.
Ich bin nicht böse, dass die angeblich so neue  FDP ihr wahres Gesicht als Klientelpartei des großen Kapitals gezeigt hat und damit ihr Ziel eines schwachen Staates und einer einflussreichen Wirtschaft zu erreichen sucht, sagte Bernd Salzmann, Vorsitzender der SPD Hausach. Die wirklich wichtigen Ziele der Politik, der notwendige ökologische Umbau von Wirtschaft und Verkehr zum Erhalt von Arbeit, Verbesserung von Bildung und Gesundheitswesen und die Stabilisierung Europas, davon war wenig zu hören.
Er sieht die Möglichkeit einer großen Koalition auf fest begrenzte Zeit ohne Merkel, in der die SPD die Rolle des Aufklärers und fortschrittlichen Antreibers in Richtung ökologische Erneuerung und sozialem Zusammenhalt übernimmt, auch gegen den extremen Einfluss einer Wirtschaft, die am liebsten ein »weiter so« haben wolle.

FDP:

Er sei vergangene Nacht zunächst entsetzt gewesen, dass sich die FDP nun das Scheitern der Jamaika-Koalition vorhalten lassen müsse, bedauerte Hans-Jürgen Schneider, Vorsitzender der FDP Kinzig- und Gutachtal. Von einer Minderheitsregierung halte er gar nichts. »Es wird wohl auf Neuwahlen hinauslaufen, und dann ist alles wieder offen!« Geärgert habe ihn das Verhalten der CSU, die ein Standing habe, als gehöre sie zu den großen Parteien in Deutschland, dabei denke sie in erster Linie bayrisch.

Grüne

Dass die Sondierungsgespräche gescheitert sind, sei nicht gut für das Land, sagt Carsten Boser vom Vorstand der Grünen Kinzigtal. Von der SPD sei es falsch gewesen, eine Koalition mit der CDU auszuschließen. Bei nahezu allen für die Grünen wichtigen Themen hätten sie Zugeständnisse gemacht, um eine tragfähige Regierung zu ermöglichen. Kompromisse schienen in greifbarer Nähe. »Umso unverständlicher war die Reaktion der FDP«. Eine Minderheitsregierung sei keine tragfähige Lösung, deshalb werde man wohl um Neuwahlen nicht herumkommen. Die neuesten Umfrageergebnisse zu Umwelt-, Klima-, Landwirtschafts- und Verkehrspolitik stimmten ihn für Neuwahlen aber optimistisch.
 

Autor: 
Claudia Ramsteiner