Peter Holls Bilder in der Stadtbibliothek

Konfrontation mit reglosen Wesen

Georg Leisten
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
30. Dezember 2019
Peter Holls Bilder zeigen die ausgestopften Tiere so, wie sie vor Ort stehen.

Peter Holls Bilder zeigen die ausgestopften Tiere so, wie sie vor Ort stehen. ©Foto: Peter Holl

Der Künstler Peter Holl war schon immer ein großer Melancholiker. Seine neuen Bilder, die nun in der Stadtbibliothek zu sehen sind, erforschen das Wesen von Tierpräparaten.

Stuttgart - Der Wolf ist tot. Auch wenn er noch wie zu seinen besten Raubtierzeiten vorwärts zu schleichen scheint. Doch sein Revier ist nun nicht mehr der tiefe Wald, sondern das kühle Metallregal eines Museumsdepots. „Stop Motion“ heißt die Schau von Peter Holl in der Stuttgarter Stadtbibliothek, die sich der befremdlichen Schönheit zoologischer Präparate widmet. Dachs und Fuchs, Greifvögel und Affenbande – sie alle sind nur noch ausgestopft. Biologische Skulpturen, für immer eingefroren in einer letzten Bewegung.

Ein großer Melancholiker war der 1970 in Heilbronn geborene Wahlstuttgarter schon immer, ob er Jugendliche mit ihren bunten Straßenklamotten in einsame historische Gemäuer versetzte oder in Abstellkammern nach dem Fluidum einer anderen Zeit suchte. Warum aber jetzt Geschöpfe mit einem Drahtgestell im Innern und Kunstaugen im Kopf?

Das Menschliche an der Kreatur

„Für mich“, sagt der Künstler, „ist die Begegnung mit Tieren immer eine Konfrontation mit dem Anderen, das wir nicht wirklich verstehen können.“ Deswegen projiziere man viel Menschliches auf die Kreaturen. Durch die Präparation scheint sich dieser Effekt noch zu steigern.

Einmal mehr vertraut Holl dabei auf die Aquarelltechnik. Denn ihn interessiert die Unberechenbarkeit dieses Mediums. „Bei einem Aquarell“, erklärt er, „können Sie im Vorhinein nie vollständig abschätzen, wie die getrockneten Farben aussehen. Das Endergebnis überrascht mich immer wieder.“

- Anzeige -

Gleichwohl unterstreicht die Schau, wie souverän der Künstler das oft als Laientechnik unterschätzte Genre mittlerweile beherrscht. Reflexionen auf den Glasscheiben eines Gewächshauses, der stoffliche Schimmer von Fell und Federn oder die jeweilige Beleuchtungssituation vermag dieser Stimmungsaquarellist mit einem feinem Gespür für das Flüchtige wiederzugeben. Verleiht doch gerade der immaterielle Farbauftrag den realistischen Szenen die Unwirklichkeit einer Fata Morgana, die auch gleich wieder verschwinden könnte.

Ein Bild im Bild

Im Magazin des Naturkundemuseums hat Peter Holl zunächst einmal Fotos der ausgestopften Tiere gemacht. Nach diesen Vorlagen entstanden später die großformatigen Aquarelle. In die Inszenierungen der Präparatoren eingegriffen habe er dabei aber nicht. „Ich wollte die ursprünglichen Arrangements beibehalten. Sie sind für mich wie ein Bild im Bild.“

Das gilt besonders für eine Gruppe von Orang-Utans. In animalischer Unordnung auf Holzpaneelen zusammengepfercht, erinnert die Horde an die Schiffbrüchigen auf Théodore Géricaults Jahrhundertgemälde „Floß der Medusa“. Doch anders als die Matrosen bei Géricault rettet die Affen niemand mehr.

Ausstellung: Bis 25. April 2020 in der
Stadtbibliothek am Mailänder Platz, Mo-Sa 9-21 Uhr

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

Stellt sein lyrisches Werk vor: Björn Hayer kommt am Montag zum "Wortspiel" nach Offenburg.
26.04.2024
Literaturtage Wortspiel
Der Wissenschaftler und Autor Björn Hayer beschließt mit seiner Lesung in José F.A. Olivers Reihe "Dichter:innen" die diesjährige Ausgabe der Offenburger Literaturtage Wortspiel.
Badende in einem Zuber zeigt die Künstlerin Agathe Brahami-Ferron.
26.04.2024
Ausstellung in Wattwiller/Elsass
In der Ausstellung "Aqua Terra" lassen sich imaginäre Erlebniswelten über und unter der Wasseroberfläche erkunden. Zu sehen sind Werke aus Keramik von 35 Künstlerinnen und Künstlern.
Mit Spott und Selbstkritik beleuchtete William Wahl den Zeitgeist.
24.04.2024
Kehl
Mit satirischen Betrachtungen über die Digitalisierung und dem Umdichten bekannter Hits brachte Klavierkabarettist William Wahl das Publikum im Kulturhaus zum Lachen.
„Spatz und Engel“: Marlene Dietrich (Susanne Rader, links) und Edith Piaf (Heleen Joor).
23.04.2024
Lahr
Das Musikstück „Spatz und Engel“ erzählt von der Freundschaft zwischen Edith Piaf und Marlene Dietrich. Heleen Joor und Susanne Rader boten in Lahr eine großartige Hommage, die heute in Kehl wiederholt wird.
Thea Mengeler kommt mit "Nach den Fähren" nach Offenburg – und freut sich auf Gespräche über das Buch.
22.04.2024
Offenburg
Mit "Nach den Fähren" reist Autorin Thea Mengeler nach Offenburg: Bei ihrem Auftritt am Mittwoch, 24. April, 20 Uhr in der Stadtbibliothek, freut sie sich auf den Austausch mit dem Publikum.
Fluoreszierendes Licht in Blau und Grün: die Lichtinstallation untitled 2 (to my dear bitch, Airily) von Dan Falvin. 
19.04.2024
Kunstmuseum Basel
Das Kunstmuseum Basel zeigt im Neubau 35 Lichtinstallationen von Dan Flavin. Widmungen geben den raumgreifenden Werken des Künstlers der Minimal Art entfalten eine persönliche Note.
Der Künstler Esran Mondtag lädt das Publikum im Deutschen Pavillon dazu ein, sich im staubigen Alltag eines Gastarbeiters zu bewegen.
19.04.2024
Biennale in Venedig
Die Kuratorin Çagla Ilk wählte für den Deutschen Pavillon auf der Biennale einen ganz besonderen Zugang zum Thema Migration. Zu sehen ist Kunst von Ersan Mondtag und Yael Bartana.
Martina Geist zu Gast im Künstlerkreis Ortenau: "Augenlust".
18.04.2024
Offenburg
Die Galerie im Artforum in Offenburg präsentiert Werke von Martina Geist. Ihre Bilder sind angesiedelt zwischen Druck, Zeichnung und Malerei.
Margret Koell und Stefan Temmingh verfügten bei ihrem Konzert über ein Instrumentarium, das über fünf Oktaven hinauswuchs.
18.04.2024
Achern - Fautenbach
Mit ihren "Sound Stories" präsentierten Stefan Temmingh und Margret Koell in der Alten Kirche Fautenbach Werke aus fünf Jahrhunderten europäischer Musikgeschichte.
Dietrich Mack
18.04.2024
Kulturkolumne
Musik ist nicht nur eine Himmelsmacht, sondern auch eine Macht auf Erden, die vielen Menschen hilft und einigen schadet.
Kam rockig daher: Musiker Alastair Greene beim Blues Caravan.
16.04.2024
Offenburg
Starke Stimmen und epische Gitarrenläufe: Blues Caravan in der Offenburger Reithalle mit Katarina Pejak, Eric Johanson und Alastair Greene.
Beliban zu Stolberg gastiert am Donnerstag bei "Wortspiel" und liest aus "Zweistromland".
16.04.2024
Literaturtage Wortspiel
Um die kurdische Bürgerrechtsbewegung und eine mutige Frau geht es in "Zweistromland" von Beliban zu Stolberg. Sie liest am Donnerstag, 18. April, in Offenburg in der Stadtbibliothek.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Physiotherapeutin Luise Wolf schätzt die Zusammenarbeit und innovativen Ansätze bei ihrem Arbeitgeber. 
    22.04.2024
    Top-Life Berghaupten: Hier steht der Mensch im Mittelpunkt
    Das Gesundheitszentrum Top-Life in Berghaupten bietet ein Komplettpaket rund um Gesunderhaltung, Rehabilitation, Prävention und Wellness. Physiotherapeutin Luise Wolf ist Teil des motivierten Teams und gibt im Interview Einblick in ihre abwechslungsreiche Arbeit.
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.