Renchtäler Handwerker suchen teils vergeblich nach Azubis
Im Handwerks-Bereich können seit Jahren zahlreiche Ausbildungsstellen nicht besetzt werden, weil es an Nachwuchs mangelt – auch in Oberkirch. Experten befürchten für die Zukunft einen Rückgang handwerklich guter Dienstleistungen.
Laut einem Fünf-Jahres-Vergleich der Handwerkskammer Freiburg ist die Zahl der Gesellenprüfungen landesweit um 16 Prozent zurückgegangen. Im Ortenaukreis warnt die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sogar vor einer Fachkräfte-Krise für die Handwerksbetriebe. Ein Grund dafür seien mitunter die gesellschaftliche Veränderungen, wie Martin Düpper, Sprecher der Handwerkskammer Freiburg, auf Anfrage erläutert.
»Ein wichtiger Faktor neben dem demografischen Wandel ist der jahrelange Fokus auf die akademische Bildung«, weiß er. Das habe auch Auswirkungen darauf, wie berufliche Bildung von der Gesellschaft wahrgenommen werde. Herbert Birk von der Firma Elektro Birk in Oberkirch etwa berichtet: »Eine Lehrerin hat mal gesagt: ›Lernt, sonst müsst ihr zum Bau‹. Dabei ist es doch eher so: Wer ein Handwerk kann, hat ein Leben lang Chancen, einen Job zu finden.« Die Schulen hätten vergessen, dass Fachkräfte gebraucht werden, klagt er.
Markt wird abgesaugt
Dass sich zudem größere Betriebe leichter tun, Azubis zu finden, ist der Eindruck, den Harald Bahr, Geschäftsführer des 16-Mitarbeiter-Betriebs Bahr Modell- und Formenbau in Nußbach, in den vergangenen Jahren gewonnen hat: »Der Markt wird von großen Unternehmen abgesaugt. Da bleiben für andere nicht mehr viele gute Bewerber übrig.«
Laut Düpper liegt dieser Umstand nahe: »Je mehr Mitarbeiter im Betrieb sind, desto mehr Wert muss auf Personalführung gelegt werden. Das macht man dann nicht noch nebenher.«
Trendwende ist in Sicht
Aber: Erste Anzeichen für eine Trendwende seien bereits sichtbar. Bei den im April neu eingetragenen Ausbildungsverträgen kommt die aktuelle Statistik der Handwerkskammer Freiburg für die Ortenau auf ein Plus von acht
Prozent.
Auch Ruprecht Hammerschmidt, Sprecher der IG Bau, findet: »Es sieht gar nicht so dramatisch aus.« Für wichtig hält er, dass die Arbeitgeber den jungen Menschen – und den Gesellen später – etwas bieten. »Gutes Gehalt und Weiterbildungsmöglichkeiten spielen eine große Rolle. Aber man muss den jungen Menschen auch eine Perspektive geben«, rät er. Die Aussicht auf eine längere Beschäftigung mache eine Ausbildung attraktiver.
Die Handwerkskammer engagiert sich mit einer bundesweiten Kampagne für ein besseres Image des Handwerks in der Öffentlichkeit. Vor allem die Suche nach Azubis werde außerdem verstärkt, sagt Düpper: »Auftritte auf Berufsmessen oder bei Jobtagen in Schulen sind für viele Betriebe mittlerweile wichtiger Bestandteil des Bewerber-Marketings.«
Angebot wird geringer
Würde der negative Trend zunehmen, hätte die Gesellschaft die Konsequenzen zu tragen, so der IG Bau-Sprecher: »Schon jetzt ist spürbar, dass es für viele Privatkunden schwierig ist, zeitnah einen Handwerker zu finden.« Das Angebot an handwerklichen Dienstleistungen in bewährter Qualität werde geringer. Er warnt: »Wollen wir mal nicht hoffen, dass wir das Handwerk erst missen müssen, bevor wir dessen Wert erkennen.«
Erfreuliche Entwicklungen im Gastgewerbe
Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Baden-Württemberg meldet aktuell einen Rückgang von 0,7 Prozent Auszubildenden im Vergleich zum Vorjahr – und damit eine Stabilisierung. Unbesetzte Stellen gebe es in Baden-Württemberg trotzdem im vierstelligen Bereich.
»2016 hat sich der Trend bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen aber umgekehrt«, sagt Daniel Ohl, Sprecher der Baden-Württemberger Dehoga. Erstmals seit langem ist deren Zahl nach Angaben der Industrie-und Handelskammer Baden-Württemberg um 2,3 Prozent gestiegen. Trotzdem: »Gute Auszubildende sind sehr gesucht und wir hätten gerne mehr davon, das ist keine Frage«, betont er. Es sei – wie in vielen anderen Branchen auch – eine Herausforderung, für die Zukunft Fachkräfte zu sichern. Aber einen Grund, in Panik zu verfallen, sehe er nicht: »Das zeigt die erfreuliche und hoffentlich dauerhafte Entwicklung 2016.«
Dass es im Gastgewerbe viele unbesetzte Stellen gebe, sei nichts Neues, da die Branche traditionell mehr Lehrstellen anbiete als besetzt werden können. Aber der Pressesprecher verweist auch auf die aktuellen Zahlen von 2015 des Statistischen Landesamts: »Landesweit liegen wir mit einer Abbrecherquote von 23,6 Prozent leicht über dem Durchschnitt der Kammer-Ausbildungsberufe (21,5 Prozent) – das ist kein Grund zum Jubel, aber auch kein Grund zur Panik.«
Für eine Ausbildung im Gastgewerbe spreche unter anderem die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten und die Sicherheit, dass man überall einen Arbeitsplatz finde. Das Gastgewerbe gebe es schließlich überall.sab