Interview des Tages: Wolfgang Schäuble

Schäuble sieht keine Alternative zu Jamaika

Christoph Rigling
Lesezeit 5 Minuten
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26. September 2017

»Ohne die Große Koalition wären der rechte und linke Rand im Parteienspektrum nicht so stark geworden.« Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sorgt sich darüber, dass die Politik Teile der Gesellschaft nicht mehr erreicht. ©Ulrich Marx

Gerührt und unglücklich, so beschreibt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach der Bundestagswahl seine Gemütslage. Der Offenburger Abgeordnete freut sich über sein 13. Direktmandat. Gleichzeitg sorgt er sich über die politischen Entwicklungen. Der CDU-Politiker erklärt im Interview gegenüber der Mittelbadischen Presse, dass die Verantwortung, die Demokratie stabil zu halten, sehr groß ist.
 

Guten Tag Herr Schäuble, erst einmal herzlichen Glückwunsch. Sie haben zum 13. Mal das Direktmandat in Offenburg geholt. Was überwiegt, die Freude darüber oder die Bestürzung über den Wahlausgang?

Schäuble: Herzlichen Dank. Dass ich das beste Ergebnis an Erststimmen in Baden-Württemberg erreicht habe, stimmt mich schon etwas gerührt. Das ist nach einer so langen Zeit wirklich nicht selbstverständlich. Dafür bin ich sehr dankbar. 

Ansonsten sind Sie aber schon bestürzt?

Schäuble: Bestürzt – das ist mir jetzt zu viel. Ich bin unglücklich über das Wahlergebnis. Ich rätsle über das Problem, das wir auch in anderen westlichen Demokratien erleben: Mit unserer Art der Politik erreichen wir Teile der Gesellschaft nicht mehr. Im Wahlkampf war nur bedingt von Interesse, dass wir in einer unübersichtlichen Zeit das Land sehr gut auf Kurs gehalten haben und es uns in Deutschland wirtschaftlich gut geht. Persönliche Interessen waren wichtiger, das zeigt auch die enorme Aufspaltung unserer Gesellschaft. Wir müssen eine Antwort auf die Frage finden, wie eine  freiheitliche, rechtsstaatliche und parlamentarische Demokratie stabil gehalten werden kann.

Warum ist die gute wirtschaftliche Situation nicht belohnt worden?

Schäuble: Die Große Koalition ist abgewählt. Das muss man so sehen. Und ohne sie wären der rechte und linke Rand im Parteienspektrum nicht so stark geworden. Übrigens war das CDU-Ergebnis 2009 nach vier Jahren Großer Koalition ähnlich wie jetzt. Insofern ist das Resultat vom Sonntag nicht so aufregend. Viel aufregender ist doch, dass ein wachsender Teil der Bürger sich Sorgen darüber macht, was beim Thema Flüchtlinge, Globalisierung und EU auf sie zukommt. Wir haben in der Union in dieser schwierigen Zeit eine große Verantwortung und zugleich eine große Chance, die Politik so zu gestalten, dass die Demokratie stabil bleibt. 

Sie halten es also für richtig, dass die SPD in die Opposition geht?

Schäuble: Wir haben alle eine demokratische Verantwortung. Eine Minute nach Schließung der Wahllokale zu sagen, wir gehen in die Opposition, geht aus meiner Sicht nicht. Der Wähler hat entschieden, daraus gilt es jetzt, das Beste zu machen. Jeder kann sagen, was er gerne hätte, aber nicht: Ich auf keinen Fall.

Wie können die Bürger wieder vom rechten und linken Parteienrand in die Mitte zurückgeholt werden?

Schäuble: Mit einer Politik, die sich auf die wichtigen Fragen konzentriert. Und zudem muss die Politik besser kommunizieren mit den Bürgern. Darüber müssen wir uns gemeinsam Gedanken machen.

Irgendeine Idee, wie das aussehen könnte?

Schäuble: Wenn ich die hätte, hätte ich sie meiner Partei schon vor der Wahl erzählt. Aber ernsthaft: Diese Antwort müssen wir uns erarbeiten.

Ist Jamaika tatsächlich eine Option für eine stabile Regierung?

Schäuble: Gibt es eine Alternative?

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Die Frage ist doch: Kann sie stabil sein?

Schäuble: Sie muss. Wir brauchen eine stabile Regierung.

Hm...

Schäuble: Schauen Sie, ich habe ja auch Wahlkampf gemacht und für unsere Sache geworben. Die Wähler haben aber nun so entschieden. Ob uns das Ergebnis gefällt oder nicht, der Wähler ist der Souverän. Wir können nicht hinterher kommen und sagen: Das mögen wir jetzt aber nicht, macht eure Politik selber. Nein,  wir müssen das Beste daraus machen. Und dem kann sich niemand entziehen.

Sie haben jetzt die AfD gar nicht genannt...

Schäuble: ... warum sollte ich die erwähnen. Die 12,6 Prozent sind nicht der Nabel der deutschen Politik. Mir sind die Sorgen der Menschen wichtiger, die sie dazu veranlasst haben, Parteien wie die AfD zu wählen, als diese Partei selbst. Es macht keinen Sinn, die Wähler zu beschimpfen. Die Wahlentscheidung gilt es zu respektieren.

Wie sollte im Bundestag mit der AfD umgegangen werden?

Schäuble: Wie man mit gewählten Abgeordneten umgeht. Diese müssen sich aber auch der Verantwortung bewusst sein, die die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag mit sich bringt. Es tut mir übrigens Leid, dass Kordula Kovac aus Wolfach nicht mehr im Bundestag ist. Die war unglaublich engagiert, auch in meinem Wahlkreis. Ich bin im Wahlkreis nicht so präsent, weil ich noch andere Dinge in Berlin zu tun habe. Frau Kovac hat diese Lücke oft aufgefüllt. Dafür will ich Danke sagen.

Elvira Drobinski-Weiß hat es auch nicht mehr in den Bundestag geschafft.

Schäuble: Auch das tut mir leid. Sie war eine parteipolitische Gegnerin, aber eine respektable Kollegin. Wir haben immer ein faires, demokratisches Miteinander gepflegt. Dafür möchte ich mich auch bei ihr bedanken und alles Gute wünschen. 

Die Regierungsbildung wird schwierig. CSU-Chef Horst Seehofer hat die Fraktionsgemeinschaft in Frage gestellt.

Schäuble: Nein, hat er nicht. Wir werden mit der CSU wieder eine Fraktionsgemeinschaft bilden. Wir haben gemeinsam den Wahlkampf bestritten. Das Ergebnis ist nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben. Aber das ist kein Grund, die Ursachen beim anderen zu suchen. 

Herr Schäuble, Sie reden ja nicht gerne über sich selbst. Aber die letzte Frage muss schon sein. In welchem Amt sehen Sie sich?

Schäuble: Direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Offenburg – zum 13. Mal. Das muss wohl eine Glückszahl sein. Und alles andere wird sich ergeben. Ich mache mir so kurz nach der Wahl darüber keine Gedanken.
 

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