Rheinau erinnert an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte
„Rheinau ist eine weltoffene Stadt. Bei uns gibt es keinen Platz für Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“, sagte Bürgermeister Oliver Rastetter am Samstag anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktags, zu dem die Stadt in die Diersheimer Kirche eingeladen hatte. „Heute wollen wir in Rheinau ein Zeichen gegen Gewalt und Hetze setzen, denn nur wenn wir erinnern und nicht verdrängen, lässt sich das Böse in Zukunft überwinden. Deshalb müssen wir uns als Zivilgesellschaft erheben und unsere Demokratie in Deutschland verteidigen.“
Pfarrerin Ulla Eichhorn und die fünf Konfirmanden Mia Wickersheimer, Noah Ballas, Lucie Brach sowie Mona und Nico Altmann machten deutlich, was Ausgrenzung in der Zeit des Nationalsozialismus bedeutete. Damals wurden die, die nicht ins Regime passten, zunächst perfide an der Teilhabe am normalen Leben ausgegrenzt und schließlich aussortiert und eliminiert.
Als der Terror begann
„Im Frühjahr 1933 setzte die erste Welle des Terrors gegen Juden ein“, erinnerte Nico, „nichtarische Beamte wurden in den Ruhestand versetzt, rituelles Schächten verboten." "1935 wurde die Heirat zwischen Juden und Deutschen verboten“, so Noah weiter und Mia ergänzte: "1936 wurden nicht nur jüdische Zeitungen verboten, sondern Juden auch das Wahlrecht entzogen.“ Die Perversität steigerte sich immer weiter: Juden mussten die jüdischen Vornamen Israel und Sarah tragen, durften nicht mehr ins Theater, kein Radio, kein Telefon, keine Schreibmaschine oder Auto mehr besitzen und ihren Schmuck abgeben. Jüdische Kinder durften keine Schule mehr besuchen. „Schließlich wurden alle jüdischen Menschen deportiert und sechs Millionen ermordet“, schloss Mona.
„Aber es waren nicht nur Juden – auch Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen, Sinti und Roma oder Menschen, die einfach anders waren”, meinte Eichhorn. „So wurde die homosexuelle Subkultur zerschlagen, 50.000 Männer zu Freiheitsstrafen verurteilt und nur die, die sich kastrieren ließen, entgingen dem KZ. Sinti und Roma wurden als Schwachsinnige eingestuft, inhaftiert, zwangssterilisiert und über 220.000 wurden getötet, ebenso wie 200.000 kranke und behinderte Menschen im Rahmen der Euthanasiegesetze.“
„Darum gedenken wir heute auch hier, in dieser Kirche“, erklärte Gerd Hirschberg, Initiator der Aktion. Auch die Kirchen wurden gleichgeschaltet. Es gab Pfarrer, die zu den Deutschen Christen des NS gehörten und solche, die dem Pfarrernotbund und der späteren „bekennenden Kirche” angehörten. „Um mögliche Konflikte zu vermeiden, wurde im neu gestalteten Chorfenster die Inschrift „Inri“ durch „Es ist vollbracht“ ersetzt“, so Hirschberg und mahnte: „Diese Kruzifix-Darstellung soll uns daran erinnern, wachsam zu sein, und darum geht es bei dieser Gedenkveranstaltung zum Holocaustgedenktag: Nie wieder.“
Auch die zur Umrahmung gedachten Lieder – von Dennis Guggenbühler auf dem Akkordeon gespielt – wie „Hevenu Shalom Alechem“ bewegten. „Ich war schon bei jeder Gedenkveranstaltung dabei und war sehr angetan“, teilte Ortsvorsteherin Doris Bleß tief bewegt ihre Gedanken.