Wenn tausende Worte eine Botschaft tragen
Nicole Engel haucht alten Schmökern frisches Leben ein. Die 42-jährige Korkerin bearbeitet die vielen Seiten der Bände so lange, bis sie zu einem neuen Kunstwerk geworden sind. Derzeit verschenkt die einstige technische Zeichnerin ihre Werke der Buchfaltkunst an engagierte Menschen.
Inzwischen findet so gut wie kein öffentliches Leben mehr statt, weder bei der Arbeit noch im Verein oder Familien- und Freundeskreis. So bleibt mehr Zeit für neue Hobbys, die man alleine machen kann. Warum also nicht was völlig Neues ausprobieren wie die Buchfaltkunst? Nicole Engel (42) aus Kehl-Kork übt dieses seltene Hobby mit viel Leidenschaft aus und gibt Tipps zum selbst ausprobieren.
„Ich habe schon immer viel gebastelt, gezeichnet, gewerkelt und bin an Papier hängen geblieben“, schmunzelt Engel, die bis zu ihrer Frührente Technische Zeichnerin im Maschinenbau war. Angefangen hat ihre Leidenschaft mit 3D-Origami, wobei unter anderem Blüten, Schwäne und Drachen entstanden. Als sie vor rund drei Jahren ein Herz machen wollte und die Suchmaschine zur Hilfe nahm, stieß sie auf ein Buch mit gefaltetem Herz. „Das fand ich toll und wollte es ausprobieren“, erinnert sich Engel. Es gelang ihr.
Nur wenig Vorlagen
Nach dem zehnten verschenkten Herz machte ihr das Umfeld allerdings deutlich, dass es reicht, und sie machte sich erneut im Internet auf die Suche. Da die kostenlosen Vorlagen nur begrenzt zur Verfügung stehen, begann sie sich ihre Vorlagen selbst zu erstellen. „Ich konnte plötzlich alle meine Ideen umsetzen, hatte keine Grenzen mehr und so eskalierte mein Hobby. Hinzu kamen immer mehr Anfragen von Freunden und Verwandten zu den verschiedensten Anlässen“, lacht sie.
Solch ein Buch ist sehr extravagant und als Geschenk toll, besonders für Leute, die sonst schon alles haben. „Als ich nicht mehr wusste, wohin mit all meinen wunderschönen Büchern, begann ich auf Kunsthandwerkermärkte zu gehen. Das direkte Feedback ist Balsam für die Seele“, erklärt sie. Gerade arbeitet sie an einer Buch-Uhr. Jede der 900 Seiten nimmt sie zwei bis dreimal in die Hand, um die verschiedenen Arbeitsschritte auszuführen. Das ganze dauert dann zehn bis zwölf Stunden.
Secondhand-Ware
Ihre Bücher bezieht sie größtenteils aus der Kehler Bücherkiste. Bei der Auswahl ist ihr wichtig, dass das Buch mindestens 400 Seiten hat, optisch schön ist mit einfarbigem Umschlag und nicht nach Keller riecht. Der Inhalt interessiert dabei nicht. Engel rettet auf diese Weise viele Bücher vor der Tonne und haucht ihnen ein zweites Leben als einzigartiges Deko-Objekt ein. Als technische Zeichnerin fällt es Engel nicht schwer, sich ihre Vorlagen selbst zu machen. Hierbei wird eine Grafik auf die Seitenzahl des Buches angepasst. Ähnlich wie bei einem Strickmuster wird dann Seite für Seite abgearbeitet. Es gibt viele Varianten, ein Buch zu einem Kunst-Objekt zu falten. Die einfache Variante, die 45-Grad-Faltung, nutzt man für simple Motive oder Schriften. Hier werden Eselsohren entlang einer Kontur ins Buch geknickt. Beispielsweise besteht ein Herz aus 800 Eselsohren ohne Einschnitte. Bei der 180-Grad-Faltung wird alles, was auf der Vorlage schwarz hinterlegt ist, eingeschnitten und in verschiedenen Ebenen nach hinten gefaltet. Als Werkzeug benötigt sie Lineal, Falzbein, Schere und Zahnstocher.
Dank an die Helfer
Für Engel ist Buchfaltkunst Entspannung. Auf Märkten hat sie Selbstfaltbücher mit Anleitung dabei und überlegt, ob sie beim Korker Sommerspaß einen Buchfaltkunstkurs anbietet. Während der Corona-Zeit begann sie Danke-Herzen zu falten, die sie an Institutionen, wie Krankenhaus, DRK, Polizei und Sozialstation, verschenkte. Als chronisch Kranke weiß sie, was viele Menschen, wie Ärzte, Schwestern oder Pfleger, aktuell leisten und möchte dies wertschätzen.
Sie rief außerdem die Aktion #helferherzen ins Leben, damit jeder, der möchte, jemandem auf besondere Weise Danke sagen kann.
Die Vorlagen mit Anleitung „Herzen für Helfer“ findet man im Internet unter: https://engel-origami.jimdofree.com.